Digital Money Natives

Bitcoin, Microsoft und die Digital Money Natives

Der Digital Native gilt gemeinhin als die aktuellste Stufe der menschlichen Evolution. Wenn es um das Thema Computer und Internet geht, gibt es kaum eine Debatte, in der der Digitale Native nicht das Maß aller Dinge ist. Er ist der Ureinwohner des #Neulands und die personifizierte Zäsur der modernen Menschheitsgeschichte.

Doch dieser Tage endet das Zeitalter des gemeinen Digital Native, wie wir ihn bisher kennen. Denn bislang unbeachtet macht sich seit dieser Woche dessen Nachfolger bereit, die Führungsrolle in der modernen, vernetzten Gesellschaft zu übernehmen: der Digital Money Native.

Die heile Welt der Digital Natives

Wenn es um die Beschreibung unserer digitalen Lebenswelt geht, haben wir es uns in den letzten Jahren sehr bequem gemacht. Wir haben den Digital Native erfunden und seit sich die Definition in einigen Fällen als brauchbar erwies, gilt sie als die große Konstante der digitalen Gesellschaftskunde. Zugegeben – sie ist auch sehr praktisch, denn mit ihr können wir schnell und pauschal be- und verurteilen, wer zur altbackenen, analogen Welt gehört und wer zum hippen, zukunftsfähigen Team.

Glücklich darf sich schätzen, wer sich selbst das Digital Native-Prädikat verleihen darf. Immerhin steht er dadurch auf der guten Seite. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf, wenn man der allgemeinen Argumentation und Selbstwahrnehmung des Teams Digital Natives folgt.

Auch ich würde mich als Digital Native bezeichnen, obwohl ich ein Grenzfall bin. Denn genau genommen bin ich damals noch mit einem Wählscheiben-Telefon und einem schwarz-weiß Fernseher aufgewachsen, der nur über mechanische Drehknöpfe direkt am Gerät zu bedienen war. Auf digitale Medien traf ich erst in meiner späten Kindheit. Aber das nur am Rande.

Der Digital Native ist in die Jahre gekommen

Denn diese Woche gab es nun unabhängig voneinander zwei Ereignisse, die mich zum Nachdenken gebracht haben, inwieweit unsere bisherige, sehr statische Definition des Digital Native möglicherweise etwas einfältig, naiv und revisionsbedürftig ist.

Zum einen akzeptiert Microsoft nämlich ab sofort Bitcoin und zum anderen ist mir das selbe Thema zum ersten Mal direkt an einem Ort begegnet, an dem ich (noch) nicht damit gerechnet hatte – in einer Schule.

Neben dem Journalismus arbeite ich auch als Medienpädagoge und diese Woche war ich an einem Gymnasium um mit Schülern einer achten Klasse ein Smartphone-Spiel zum Thema Datensicherheit zu entwickeln.

Medienworkshops an Schulen sind immer eine spannende Erfahrung, weil man aus erster Hand erfährt, in welchem Maße neue Technologien wie Smartphones, Mobile Gaming, Apps und mobiles Internet untrennbar mit dem Lebensalltag der Jugendlichen verbunden sind. Die Themen Datenschutz und Privatsphäre sind es bedauerlicherweise erschreckend wenig, aber auch das ist ein anderes Thema.

Denn unabhängig davon bekam ich diese Woche mit, dass sich zwei Schüler am Computer sitzend über Bitcoin unterhielten. Im Gespräch erzählte mir dann der eine, dass er zu Hause sogar ein paar USB-Miner habe, die er jedoch nur sporadisch laufen lassen kann. Wegen einer möglichen Brandgefahr seien die Gerätschaften seiner Mutter nicht ganz geheuer. Ein paar Zehntausendstel Bitcoin habe er aber trotzdem schon zusammen. Immerhin und Respekt, denn auch ich habe meine Bitcoin-Karriere mit einem USB-Miner begonnen.

Bitcoin ist ein Nischenthema. Dachte ich zumindest.

Trotzdem hat mich das Auftauchen von Bitcoin in der Schule überrascht, denn Bitcoin ist in Deutschland ein Nischenthema. Das ist zumindest der Eindruck, den ich gewonnen habe, seit ich mich intensiv damit beschäftige.

Zum Beispiel gibt es hier in Leipzig und vielen anderen Städten noch immer kein einziges Geschäft, in dem man mit Bitcoin bezahlen kann. Ich biete zudem regelmäßig verschiedenen Hörfunk- und Online-Redaktionen gute Geschichten aus der Welt des digitalen Bezahlens an, die jedoch meist mit der Begründung abgelehnt werden, dass man da für das Leben und den Alltag der Menschen hier in Deutschland keinen Bezug sehe. Darüber hinaus treffe ich in meinem eigenen Alltag sehr selten auf Personen (Freunde, Steuerberater, Bekanntschaften, Zugbegleiter, Kassierer, Kellner, Studenten, Banker etc.), die sich schon einmal mit Bitcoin auseinandergesetzt haben.

Nun erkenne ich aber, dass meine Beobachtungen möglicherweise falsch sind, weil sie auf einer nicht repräsentativen Gruppe von Gesprächspartnern beruhen. Ich habe zwar mit einer heterogenen Auswahl gesprochen. Letztlich waren aber alle meine Gesprächspartner – egal ob Digital Native oder nicht – schlicht und einfach zu alt.

Die nächste Generation: die Digital Money Natives

Denn es gibt eine neue Generation von Digital Natives und die sind schon jetzt viel mehr mit der digitalen Welt verbunden, als es der traditionelle Digital Native jemals sein könnte. Diese neue Generation wächst nicht mehr nur mit digitalen Geräten, Apps, Social Media und mobilem Internet auf, sondern mitten in der Entstehungsphase der möglicherweise größten technischen Innovation seit der Erfindung des Internets: digitalem Geld.

Sie sind daher nicht nur Digital Natives, sie sind die Digital Money Natives. Ähnlich den Digital Natives, die sich darauf berufen von Anfang an im Internet der Informationen heimisch gewesen zu sein, werden die Digital Money Natives bald das selbe von sich und dem Internet der Werte behaupten können.

Digitales Geld ist das #Neuland der Digital Natives

Denn für die Digital Money Natives wird digitales Geld ein ebenso natürlicher Bestandteil ihrer Lebenswelt sein, wie es für mich als Halb-Digital Native damals der 286er, die Playse, der N64 und mein erstes Nokia-Handy waren. Bezahlen mit dem Smartphone, Bitcoin, Apple Pay, Altcoins, Dogecoin – was selbst vielen Digital Natives heute fremd und gewöhnungsbedürftig erscheint, ist für die Jugend von heute, die Digital Money Natives, schon jetzt ein ganz normaler Teil ihrer alltäglichen Lebenswelt.

Microsoft hat das erkannt. Xbox-Spiele, Apps, Musik, Filme – das alles sind Güter, die die Digital Money Natives ohnehin kaum in physischer Gestalt kennen gelernt haben. Sie kennen sie als digitale Güter und dafür digital zu bezahlen, ist nur logisch. Digitales Geld zu benutzen, stellt für die Digital Money Natives auch keine Hürde dar. Sie lernen ohnehin gerade den Umgang mit Geld. Ob analog oder digital spielt für sie keine Rolle. Wenn sie sich aber mit dem digitalen schneller, leichter und billiger neue Musik oder Spiele kaufen können, dann werden sie gar nicht mehr auf die Idee kommen dafür analoges Geld zu benutzen.

Während sich die Digitale Money Natives also ganz natürlich an den Umgang mit digitalem Geld gewöhnen, haben es die, die wir bisher noch als Digital Natives bezeichnen, in diesem Punkt schwerer. Denn was Geld angeht sind sie keine Digital Natives. Vielmehr müssen sie sich nun ebenso vom analogen auf digitales Geld umgewöhnen, wie ihre Eltern und Großeltern von Brief und Fax auf Word und E-Mail.

Survival of the (digital) fittest

Für Anbieter von digitalen Gütern ist der Einsatz von digitalem Geld jedenfalls besonders attraktiv. Ohne den Aufwand der klassischen, analogen Zahlungsabwicklung können sie Geld sparen und ihren Kunden einen besseren, schnelleren Service anbieten. Digital Money Natives sind für sie daher schon heute eine besonders interessant Zielgruppe, vor allem aber mit Blick auf die Zukunft. Denn Bitcoin und digitales Geld im Allgemeinen steht noch immer ganz am Anfang. Es ist daher strategisch klug von Microsoft sich frühzeitig an der Lebenswelt derer zu orientieren, die die Zukunft des digitalen Bezahlens intuitiv lernen und leben werden.

Wenn dabei „originale“ Digital Natives zunächst auf der Strecke bleiben, ist das kein Drama, sondern ein natürlicher Prozess der digitalen Evolution. Nichtsdestotrotz – und das ist die gute Nachricht – ist digitales Geld aber auch kein exklusiver Club der Digitale Money Natives.

Jeder, der will, kann den Umgang mit Bitcoin und anderen digitalen Bezahloptionen lernen. Wer mit der kommenden Generation mithalten will, muss dies sogar. Aber zur Not können sich die bisherigen Digital Natives ja von analog aufgewachsenen Menschen wie ihren Eltern und Großeltern oder von Angela Merkel direkt ein paar Tipps geben lassen, wie man mit so einer Situation umgeht. Denn für viele Digital Natives ist digitales Geld ihr #Neuland.

Nachtrag

Dass der alte Tech-Dinosaurier Microsoft nun offiziell die Vorreiterschaft in Sachen Bitcoin und digitales Geld für sich beansprucht, mag manche überraschen. Tatsächlich ist es aber nur konsequent, wenn man bedenkt wie sehr sich Bill Gates für digitales Bezahlen begeistert. Immerhin experimentierte er schon in den Neunzigern mit digitalen Bezahlsystemen für seine 70 Millionen Windows-Nutzer.

Bild: Bearbeitung von „Charles Darwin 200 Years of Evolution £2 Coin von Flickr-User CGP Grey (CC BY 2.0) & „Bitcoin Wallpaper“ von Flickr-User Jason Benjamin (CC BY 2.0)


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