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Digital Gold – Bitcoin spannend wie ein Krimi

Da es hier auf der Seite ja gerade etwas ruhiger zugeht, hier eine aktuelle Lesempfehlung, mit der sich die Wartezeit ganz hervorragend überbrücken lässt: Digital Gold von Nathaniel Popper

Wobei ich schon sehr skeptisch war, als ich das Buch in den Händen hielt. Der New York Times-Reporter hatte im Mai diesen Jahres im Rahmen der Veröffentlichungspromo einen Artikel aus ebendiesem Buch für die reichweitenstarke Zeitung exzerpiert, auf dessen Grundlage er Nick Szabo als Mastermind hinter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto identifizierte. Ich halte das aus medienethischen Gründen noch immer für eine schlechte Entscheidung. Warum, kann man hier nachlesen.

Digital Gold – trotzdem ein bemerkenswertes Buch

Nathaniel Popper hatte also keinen guten Start bei mir. Und doch hat er es geschafft mich mit Digital Gold in kürzester Zeit zu begeistern und so sehr in seinen Bann zu ziehen, dass ich mich im Sommerurlaub (der ja eigentlich auch Urlaub vom Bitcoin-Business war) regelrecht zwingen musste das Buch auch mal wieder aus der Hand zu legen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass man die Geschichte von Bitcoin so spannend erzählen kann.

Denn Nathaniel Popper sucht eine, für das Thema Bitcoin ganz neue Erzählperspektive. Er konzentriert sich inhaltlich nämlich nicht auf Bitcoin, sondern auf die Menschen, die damit zu tun hatten und haben. Und indem er diese Personen und deren Ideen, Träume, Wünsche und Hoffnungen portraitiert, erzählt er vor allem ihre Geschichten und die von Bitcoin als verbindendem Element und kleinstem gemeinsamen Nenner geschickt so ganz nebenbei.

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Nathaniel Popper: Digital Gold. Allen Lane, 416 Seiten, 20,95 Euro

Insofern ist die Entscheidung für die britische Ausgabe den Untertitel von „Bitcoin and the Inside Story of the Misfits and Millionaires Trying to Reinvent Money“ in „The Untold Story of Bitcoin“ abzuändern ein kompletter Fehlgriff. Denn Popper schreibt nicht die „unerzählte“ Geschichte von Bitcoin, sondern darüber wie teils sehr eigenwillige und nonkonformistische Persönlichkeiten auf Bitcoin aufmerksam wurden. Wie es sie faszinierte und inspirierte und wie Bitcoin bei allen zu einem markanten und prägenden Teil ihres Lebens wurde: Wences Cesares, Charlie Shrem, Roger Ver, Martti Malmi, Ross Ulbricht, Gavin Andresen, Hal Finney, die Winkelvoss-Zwillinge, Nick Szabo, Mark Karpeles, Charlie Lee, Erik Voorhees – über sie und viele andere erfährt der Leser mitunter sehr persönliche und private, aber niemals bloßstellende Details.

Viele Geschichten auf einen Nenner zusammengeführt: Bitcoin

Über 300 Interviews hat Popper dafür geführt, sich den Zugang zu persönlichen E-Mails erarbeitet, Foren und Gerichtsdokumente durchsucht und ist um die halbe Welt geflogen, um mit Hilfe dieser Materialsammlung den Leser mitnehmen zu können auf seine Reise von Beginn von Bitcoin bis heute und ihn dabei so nah wie möglich an die relevantesten Persönlichkeiten heranzuführen und an allen wichtigen Geschehnisse teilhaben zu lassen.

So nah, dass wer Digital Gold liest dabei das Gefühl hat mit am Tisch zu sitzen, wenn Bitcoins im sechsstelligen Dollarbereich mit Hilfe der Blockchain mal eben von Smartphone zu Smartphone geschickt zu werden oder im exklusiven E-Mail-Verteiler zu sein, als klar wird, dass Mt.Gox gerade ungebremst gegen die Wand fährt.

All diese Geschichten und Episoden – von den ersten Startschwierigkeiten über die frühe Goldgräberstimmung, libertäre Träume, erste Startups, die Silk Road bis hin zum Ende von Mt.Gox sind beeindruckend detailliert aufgearbeitet (und mit Quellenangabe dokumentiert!), aber gleichzeitig mitreißend und spannend erzählt.

Fazit und Kritik

Digital Gold ist damit zweifelsohne neben Cryptocurrency das beste Buch, das bisher zum Thema Bitcoin erschienen ist und gehört für mich zur Grundlektüre, für alle, die sich für Bitcoin interessieren und die nachvollziehen wollen, welche Faszination und Anziehungskraft Bitcoin auf Menschen ausüben und wie es sie inspirieren kann.

Allerdings gibt es auch einen Kritikpunkt, der mir während des Lesens aufgefallen ist. Gerade in der Anfangszeit von Bitcoin ist es die große Stärke des Buches alle Entwicklungen geschickt zu überblicken und erzählerisch zusammenzuführen. Mit dem über die Jahre folgenden Wachstum des Bitcoin-Ökosystems ist das mit einer leserfreundlichen stringenten Erzählform allerdings nicht mehr vereinbar und Popper entscheidet sich ganz nah an den Erlebnissen seiner Hauptprotagonisten zu bleiben. Das ist eine gute Entscheidung, aber sie verzerrt die Realität. Denn aus Sicht der gewählten Protagonisten erscheint Bitcoin zu stark als US-zentristisches Phänomen. Zwar waren Asien und Europa durchaus nicht so relevant wie die USA – aber dennoch wichtiger als das Buch teils den Eindruck erweckt.

Auch tauchen einige bekannte und einflussreiche Persönlichkeiten, wie bspw. Andreas Antonopoulos oder Amir Taaki gar nicht auf, wobei letzterer wohl ursprünglich einer der Hauptprotagonisten werden sollte, aber nicht wollte. Vermisst habe ich auch die Erwähnung von localbitcoins.com, was gerade im globalen Bitcoinhandel schon seit langem eines der wichtigsten Angebote ist und als Idee und Umsetzung Made in Finland der US-zentristischen Tendenz des Buches widerspricht.

Aber ganz ehrlich – ich musste ganz lange suchen und sehr genau überlegen, um diese Kritikpunkte zu finden. Deshalb volle Punktzahl für Digital Gold. Lest es, auch wenn es (leider) auf deutsch noch nicht erschienen ist.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Digital Gold – Bitcoin spannend wie ein Krimi“

  1. Danke für den Tipp, habe das Buch verschlungen. Wer selbst schon einige Zeit aktiv bei Bitcoin dabei ist, wird viele Seiten in Erinnerungen schwelgen und doch den einen oder anderen Aha-Moment erleben.

    Da der Autor nichts an mir verdient, wenigstens ein Tip für den Tippgeber. Papier ist ja sowas von 1452.

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