Es ist unstrittig, dass Banken in der Bitcoin-Community (und darüber hinaus) einen eher schlechten Ruf haben. Für manche sind sie geradezu das Feindbild Nummer eins und selbst die, die das nicht so drastisch sehen, stehen „den Banken“ in der Regel dennoch ablehnend und kritisch gegenüber. Die Rollen sind also klar verteilt. Wir, die guten Menschen, auf der einen Seite, die bösen Banken auf der anderen.
Die Banken als Black Box
Dass solch ein Schwarz-Weiß-Denken jedoch zu einfach ist, zeigte die vom BITKOM veranstaltete Fachkonferenz Digitalisierung des Finanzmarktes / Bargeldlose Gesellschaft Mitte Juni in Berlin. Auf diesem hochkarätig besetzten Klassentreffen der digitalen Geldwirtschaft wurde nämlich deutlich, dass „die Banken“ gar nicht das sind, als das sie in der Öffentlichkeit oftmals gelten: undurchsichtige Institutionen, die über der Gesellschaft schwebend eigenmächtig und vollkommen losgelöst nicht nachvollziehbare Entscheidungen treffen, die nur der eigenen Profitmaximierung dienen, sondern Menschen, die Entscheidungen treffen müssen um unter dem Druck der Politik, der Konkurrenz, der Kunden und der Digitalisierung Zukunftsperspektiven zu entwickeln.
Dass „die Banken“ dennoch diesen Negativstatus als intransparente Black Box haben, der sich, ganz nebenbei erwähnt, erstaunlich stark von der eigenen Selbstwahrnehmung unterscheidet, ist ihre eigene Schuld. Zum Glück waren jedoch auch Bitcoin und die Blockchain-Technologie dieses Jahr ein Schwerpunktthema auf dem Fachkongress. Denn es rumort kräftig in der Bankenbranche und Bitcoin, so scheint es, ist das Werkzeug, dass die Black Box „Banken“ endlich aufbricht. Allerdings, auch das ist deutlich geworden, ist der Weg noch lang.
Die beschränkte Weltsicht des Bundesfinanzministeriums
Das betrifft nicht nur die Banken, sondern auch die Politik und zeigte sich schon in der Keynote des damaligen Finanzstaatssekretärs Steffen Kampeter. Dessen Manuskript erinnerte nicht nur stark an den Bestellzettelblock der Lokalität, in der die CDU-Bundestagsfraktion zeitgleich ihr Sommerfest abhielt, sondern Kampeter ließ auch unverblümt durchblicken, dass die Feier dort der Ort sei, an dem er eigentlich gerade lieber wäre.
Inwieweit also das, was Kampeter dann aber doch noch ad hoc zusammenstammelte, repräsentativ für das Bundesfinanzministerium steht, ist schwer einzuschätzen. Immerhin war kurz zuvor bereits bekannt geworden, dass Kampeter sein Amt aufgibt und aus der Politik in die Wirtschaft wechselt. Dementsprechend hatte seine Keynote leider den Charme eines reinen Who cares?-Pflichttermins.
Die digitale Finanzwelt ist eine Scheibe
Dennoch war Kampeter zu dem Zeitpunkt offizieller Repräsentant des Bundesfinanzministeriums und dass er als solcher zwar viel redete, aber letztlich wenig sagte, ist auch ein Zeichen von Ahnungslosigkeit. Eine seiner Aussagen wirkte jedoch besonders bizarr. Zum Thema Digitalisierung sagte Kampeter:
„Der erste Bereich, den ich ansprechen möchte, sind neue nationale Chancen/Nutzen im Bereich der Finanzmärkte. […] Worum geht’s? Es geht um leihen, bezahlen und überweisen. Damit habe ich den Markt, glaube ich, hinreichend beschrieben.“ (ab Minute 9:50)
Diese Aussage hat nicht nur mich mit der Frage zurück gelassen, ob Steffen Kampeter in den vergangenen sechseinhalb Jahren jemals auch nur eine Zeile über Bitcoin und das Potential der Blockchain gelesen hat? Programmierbares Geld, das Internet der Dinge, nichtmonetäre Blockchain-Anwendungen. Im Weltbild von Kampeter scheint das alles jenseits aller Vorstellungskraft.
Möglicherweise war das nur die Aussage eines scheidenden Amtsinhabers, der eine der letzten Pflichtveranstaltungen einfach nur mit möglichst wenig Aufwand über die Bühne bringen will und erzählt, was er meint, das das Publikum hören will. Möglicherweise – und das wäre beängstigend – ist das aber tatsächlich die Vorstellung des Bundesfinanzministeriums, dessen Grundeinstellung Kampeter ja zuvor explizit betonte wiederzugeben. Leihen, bezahlen und überweisen – die digitale Welt des Bundesfinanzministeriums wäre eine Scheibe.
Gute Gespräche und Bullshit-Bingo
Unabhängig von diesem merkwürdigen Auftritt war die Fachkonferenz aber eine wirklich gut organisierte und abwechslungsreiche Veranstaltung und wäre Kampeter am zweiten Tag wiedergekommen, hätte er noch einiges lernen können. Dann ging es nämlich um die vier Schwerpunkte „Digital Trust“, „Compliance“, „Mobile & Instant Payments“ und „Bitcoin & Blockchains“.
Die ersten drei Themen waren dabei manchmal spannend, manchmal etwas dröge, was aber an der Grundeinstellung der jeweils Beteiligten lag. Die einen sprachen begeistert über Innovation und Chancen. Denen konnte man sehr gut zuhören. Die anderen beklagten sich über die vielen Regeln und Gesetze, die sie einhalten müssten, was das alles koste und wie man da noch Geld verdienen solle. Letztere waren in der Regel auch die besonders heißen Kandidaten für eine Runde Bullshit-Bingo. Ich habe irgendwann jedoch aufgehört die gefallenen „Mindsets“, „Kunden-Relationships“, „Legacies“ und „Lifecycle-Managements“ zu zählen, denn richtig interessant wurde es ohnehin erst am Nachmittag.
Die Branche liest sich selbst die Leviten
Dann stand nämlich das Fokusthema Bitcoin & Blockchain auf der Agenda und das hatte es in sich. Zunächst redete sich Matthias Kröner, CEO der Fidor Bank in Rage und nutze das Podium um nicht nur der anwesenden Bankenbranche mal ordentlich die Leviten zu lesen, sondern auch um seinem Frust über die (digitale) Inkompetenz der Politik Luft zu machen. Nicht ohne begründete Beispiele wohlgemerkt und das ist leider ebenso unterhaltsam wie traurig aber wahr (bis Minute 35:30).
In Anschluss daran folgte noch eine Podiumsdiskussion, an der u.a. die beiden MdB Jens Zimmermann (SPD) und Andreas Nick (CDU) teilnahmen. Von ersterem ist ja bereits spätestens seit der digitalen Agenda im Herbst vergangenen Jahres bekannt, dass er sich für Bitcoin interessiert. Schön, dass es mit Andreas Nick nun auch einen zweiten (sic!) Bundestagsabgeordneten gibt.
Auch dieses Panel empfehle ich sich in Gänze anzuschauen, denn ein besonders interessanter Aspekt, der behandelt wurde, war die Regulierung, von der sogar die Politik (Zimmermann) mittlerweile sagt, dass es ein unmöglicher Zustand ist, alles in der Schwebe zu lassen. Vielmehr müsse beim Thema Bitcoin endlich Rechtssicherheit geschaffen werden, damit Startups leichter gründen können. Auch die BaFin müsse dafür unternehmerfreundlicher werden.
Klare Worte, denen nun allerdings auch Taten folgen müssen.
Fazit – Bitcoin wirkt. Aber langsam.
Dass der BITKOM Bitcoin schon länger auf dem Schirm hat, war bereits bekannt. Mit dieser Fachtagung hat er nun aber eine wichtige Schnittstelle geschaffen, auf der sich Politik und Finanzbranche über die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung austauschen können. Dass dafür auf beiden Seiten großer Bedarf ist, wurde offensichtlich. Vor allem die Vertreter von Banken ließen durchblicken, dass es ihnen große Probleme bereitet ihr analog gewachsenes Geschäftsmodell grundsätzlich zu überdenken und für die digitale Welt neu zu erfinden. Bitcoin – auch das wurde deutlich – könnte auf Grund seiner wachsenden Bedeutung aber ein Hebel sein, der selbst die letzten Zögerer überzeugt, dass daran letztlich kein Weg vorbeiführt. Dennoch wird es aber noch eine ganze Weile dauern bis Bitcoin die Black-Box-Banken komplett aufgebrochen haben wird.
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