bubble

Ethereum & die DAO(tcom)-Blase

Seit Tagen versuche ich schlau zu werden, aus dem, was da gerade im Internet passiert. The DAO (steht für „Decentralized Autonomous Organization“) sammelt gerade Geld von techbegeisterten Ethereum– und Krypto-Enthusiasten ein und ist dabei so exorbitant erfolgreich, dass es knapp zwei Wochen vor Ende der Finanzierungsphase mit aktuell rund 140 Millionen US-Dollar (wobei diese Summe mit großer Voricht zu genießen ist) schon zum größten Crowdfundingprojekt aller Zeiten geworden ist. Mit Abstand!

Crowdfunding von The DAO: Ob es gut ist, dass das ein einmaliges Event ist, wird die Realität zeigen.

Das ist ebenso beeindruckend wie erschreckend. Denn man kann zwar nicht ausschließen, dass The DAO hält, was das clevere Marketing drumherum verspricht (in geile Dinge investieren UND reich dabei werden). Und mit Sicherheit werden auch einige (wenige) Personen/Projekte/Unternehmen ganz großartig von The DAO profitieren (Hut ab, Slock.it!).

Die Wahrscheinlichkeit jedoch, dass hier gerade eine an sich interessante Idee Hype- und FOMO-getrieben mit Volldampf auf den Prellbock der Realität zurast, ist hoch. Viel zu hoch, als dass ich persönlich ernsthaft überlegen würde, auf diesen Crowdfunding-Zug aufzuspringen. Oder?

https://twitter.com/AwardsDarwin/status/730916678779994114?lang=de

Warum man The DAO mit Vorsicht betrachten sollte

Was mich in erster Linie davon abhält, ist, dass Skepsis zu meinem Beruf gehört und im Fall dieser DAO zu viele Fragen im Raum stehen, auf die ich keine überzeugende Antwort finde. Weder im Netz, noch in Gesprächen, noch durch Recherche und eigenständiges Schlüsseziehen. Und dabei sind das nicht einmal besonders komplexe Fragen, sondern eigentlich ziemlich naheliegende. Ein paar davon liste ich hier einfach mal auf.

Was ist The DAO?

Klingt vielleicht banal, ist aber tatsächlich für mich noch nicht beantwortet. „Dezentrale, autonome  Organisation“ ist ein Begriff, der abstrakter nicht sein könnte. Christoph vom Bitcoinblog hat The DAO und wie sie funktionieren soll zwar grob zusammengefasst, aber letztlich ergeben sich aus der Lektüre nur noch mehr Fragen.

Haben diejenigen, die in The DAO investiert haben, verstanden, was die DAO ist?

Ich bezweifle das ernsthaft und meine Zweifel gründen u.a. auf solchen, vielbeachteten Artikeln wie The DAO: How to not fuck it up. in dem im Nachhinein(!) Vorschläge gemacht werden, wie man das Ding jetzt besser nicht gegen den Baum setzt. Sollte man sich dessen nicht bewusst sein, bevor man 140 Millionen US-Dollar einsammelt bzw. einzahlt?

Wo findet eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung der DAO-Befürworter mit The DAO statt?

Das Marketing pro The DAO ist ohne Frage gut. Aber es ist Marketing und kennt daher nur den Best Case. Was sehen jedoch die Initiatoren von The DAO (selbst eine dezentrale, autonome Organisation muss ja bisher noch von jemandem ins Leben gerufen werden) als Worst Case und was ist die erwartete Mitte?

Kann The DAO in dieser Form funktionieren?

Schwer zu sagen. Das wird man final wohl erst retrospektiv beurteilen können. Zieht man jedoch die Erfahrungen vergleichbarer Projekte zu Rate, sind die Aussichten nicht ganz so rosig. Ein guter Artikel zu diesem Thema: Is The DAO going to be DOA? Interessant darin ist auch der Hinweis auf den DAU (Dümmsten anzunehmenden User) verbunden mit der Frage, wie man mit ihm bzw. ihnen umgeht. Denn eines steht außer Frage: „Smart Contracts cannot fix Dumb People“.

Warum so viel Geld?

Ich halte DAOs im Allgemeinen für eine interessante Idee und The DAO wäre ein hervorragendes weiteres Experiment um den Hype und Erwartungsdruck um die DAO-Idee durch reale Erfahrungen aus der Praxis zu erden. 1 Million US-Dollar wären dafür schon eine enorme Menge Geld gewesen. 140 Millionen ändern nichts an den Ergebnissen des Experiments, vervielfachen jedoch die Fallhöhe und die Kollateralschäden, wenn das Projekt scheitert.

Wird The DAO, das Mt.Gox für Ethereum?

Ganz pragmatisch gefragt: Ist es sinnvoll Ethereum so eng mit einem einzigen, mächtigen und riskanten Projekt zu verknüpfen? Denn sollte die DAO(tcom)-Blase platzen (Worst Case), wären die Folgen auch für Ethereum und alle(!) anderen Projekte, die darauf basieren, unabsehbar.

Warum ist Ether auf einmal so geiles „Geld“?

Bisher wurde immer vermieden, Ether, die interne Währung von Ethereum, als digitales Geld zu beschreiben, weil dessen Primärfunktion nicht wie bspw. bei Bitcoin die Aufbewahrung und der Transfer von Geldwerten sein soll. The DAO nutzt Ether aber letztlich für genau das, weil damit Gelder eingezahlt und die potentiellen Gewinne den Nutzern ausbezahlt werden.

Übersehe ich etwas?

Das ist in der Tat die Frage, die mich am meisten wurmt und letztlich immer wieder über dieses beeindruckende 140-Millionen-Crowdfunding-Projekt nachdenken lässt. Bin ich womöglich der einzige (oder einer der wenigen), der das Potential von The DAO unterschätzt? Verpasse ich hier womöglich sogar direkt vor meiner Nase die Gelegenheit, an etwas Großem mitzuwirken und mit wenig Aufwand und Einsatz exorbitant reich zu werden?

Alte Bergsteigerweisheit: Auch wenn man einen Gipfel vor Augen hat, ist es manchmal die schwerere, aber smartere Entscheidung, ihn nicht zu besteigen.

Es ist erstaunlich, wie groß und penetrant dieser beständige Zweifel an mir und meiner Entscheidung nagt, nicht Teil des The DAO-Crowdfundings zu werden. („Es könnte ja …  / Man kann ja doch nicht ausschließen, dass nicht vielleicht doch … / Bitcoin und Ethereum wurden am Anfang ja auch enorm unterschätzt …“). In diesem Fall hilft es jedoch, sich an den eigenen Prinzipien zu orientieren und in meinem Fall ist das vor allem: Investiere niemals Geld in Dinge, die du nicht verstehst. Und ich habe The DAO und den Crowdfunding-Hype darum bislang nicht verstanden. Aber ich versuche es weiterhin und beobachte dieses Projekt weiterhin mit Interesse. Und mit Skepsis.

Außerdem gibt es eine Sache, die ich in den letzten Jahren Bitcoin gelernt habe: Gute Ideen und Gelegenheiten zu investieren, werden auch nach The DAO noch viele kommen.

… aber vielleicht findet sich ja auch noch jemand, der auf obige und weitere Fragen überzeugende Antworten geben kann?

Update

Der Altcoinspekulant hat sehr lesenswert seine Sicht auf The DAO formuliert: Der Ethereum DAO – Das 200 Millionen Dollar Ding!

Bilder: Sergey Galyonkin (CC BY-SA 2.0) und meg und rahul (CC BY 2.0)


Beitrag veröffentlicht

von

Schlagwörter:

Kommentare

8 Antworten zu „Ethereum & die DAO(tcom)-Blase“

  1. Hallo Friedemann,

    danke für den kritischen Beitrag, der mich durchaus darin bestärkt zumindest aktuell nicht in „The DAO“ zu investieren.

    Die Theorie klingt natürlich sehr interessant, aber ob es dann auch so in der Praxis umgesetzt werden kann, wage ich noch zu bezweifeln. In Köln gab es vor einigen Jahren mal den Versuch, den Fußballverein Fortuna Köln mittels Internet Community zu führen. Quasi die Weisheit der Masse. Allerdings ist dieses Projekt nach einiger Zeit relativ leise wieder aufgelöst worden, weil es wegen diverser Schwierigkeiten nicht funktioniert hat.

    Ich sehe daher „The DAO“ als interessanten Test an. Es werden sicher zukünftig noch weitere Investment DAOs folgen, event. noch genauer positioniert und aus den Fehlern des ersten DAO gelernt. Somit sollten sich zukünftig noch weitere interessante Investments ergeben.

    Bis dahin folge ich auch Deinem Prinzip „Investiere niemals Geld in Dinge, die du nicht verstehst.“ und freue mich über die Kurssteigerungen (u.a. wegen Verknappung und PR) bei Ethereum 🙂

    Gruß Jan

  2. Pedder

    Das sind exakt meine Gedanken – schön dass ich nicht alleine da stehe mit dem großen Fragezeichen vor der Stirn.
    Und zur Weisheit der Masse: imho werden die meisten DAOisten niemals an all den denkbaren Abstimmungen teilnehmen. Es werden also wenige sein, die tatsächlich bestimmen was für Projekte mit den DAO Einnahmen finanziert werden. Und die agieren mit welcher Intention wohl?…

  3. Peter

    Faktisch in der dargelegten Kritikform nachvollziehbar und bedingt logisch. Aber Silicon Valley funktioniert nur auf einer Seite der Münze nach exakter Logik, die andere Seite folgt völlig anderen Prinzipien. Ich erinnere mich gut an die hämische Kritik in der Anfangszeit von Tesla in Kalifornien, und selbst wenn Elektromobilität nicht die endgültige Antwort auf die Probleme der Mobilität liefert, bedient dieses Unternehmen gleichzeitig auch ganz andere Umstände: Die Kombination einer Vision, den nächsten besten Schritt einer technologischen Entwicklung, gepaart mit Emotion und Nachhaltigkeit soweit möglich realisiert.
    Und die Vision von Ethereum ist gross genug um das kapitalistische System in Angst zu versetzen, während die Suche nach Wandel und Erneuerung des Kapitalismus damit Auftrieb bekommt. Die Banken setzen alles daran, nicht überholt zu werden.
    Tesla ist trotz aller hinkenden Argumente dennoch in der Lage, eine gesamte Branche unter Druck zu bringen. Wie eben auch die Googles und Amazons dieser Welt anfangs unverständlich waren und heute als Monopolisten eine Gefahr der Vielfalt und Gleichheit gesehen werden…
    Dazu kommt, es gewinnt oft nicht das Bessere, weil jeder aus einem anderen Blickwinkel und Motivation beurteilt. Logik ist nicht das ausschlaggebende Momentum.

  4. Ich denke, The DAO bzw. DAO versteht keiner ganz. Dennoch finde ich, dass es ein interessantes Experiment ist und sein kann. Mich interessiert der Ablauf des Abstimmens, des Splitten und des Ertrags, also eigentlich der gesamte Ablauf.
    Bei der Investition bin ich der Ansicht, dass man, wenn man sich dafür interessiert, wenig Geld (das man sonst anderweitig unnötig ausgibt) in die Hand nehmen und einfach mal aus Spaß mitmachen sollte.
    Eine Parallele zu Mt. Gox sehe ich allerdings nicht, denn wenn TheDAO den Bach runter geht, dann sind die Nutzer dafür verantwortlich und nicht Ethereum.

    1. Friedemann Brenneis

      1. Man sollte nicht Geld in Dinge investieren, die man nicht versteht und macht man es doch sind 140 Millionen für ein „interessantes Experiment“ doch ein bisschen zu viel, oder? (Wer mit 20 Dollar dabei ist, okay. Aber wenn man bedenkt, dass beim Ethereum-Crowdsale damals nicht mehr als 9000 Leute mitgemacht haben und 18 Millionen US-Dollar zusammenkamen, kann man sich vorstellen, wie viel Geld manche „blind“ in The DAO gesteckt haben. Denn das The DAO-Crowdfunding ist eine krasse Nische)
      2. Bei Mt.Gox war auch nicht Bitcoin dafür verantwortlich, dass es den Bach runter ging, sondern die Nutzer, die sorglos und blauäugig einer Organisation vertrauten, bzw. Leuten, die behaupteten, dass mit dieser Organisation alles in Ordnung sei.

      1. Ja, insgesamt sind 140 Millionen – Tendenz steigend – für ein Experiment zu viel und ich stimme Dir zu, dass ein (Groß?)Teil „blind“ investiert, v.a. weil keiner genau weiß, was aus der TheDAO wird. Auch bei dem gutgläubigen Vertrauen stimme ich Dir zu!

        Aber wenn man nicht in Dinge investieren sollte, die man nicht versteht, dann dürften wahrscheinlich 95 Prozent keine Bitcoins besitzen oder Aktien 😛

        Dennoch sollte klar sein, dass man nicht 5000 Euro investieren sollte, wenn man gar keine Ahnung und auch keine Lust hat, sich einzulesen!

  5. Matt51

    Eine Frage: wie entstehen am Ende die gewinne für die dao Investoren? Steigt der Wert von dao tokens im Gegenwert zu Ether und man kann so Gewinne daraus schöpfen? Oder werden die dao tokens in der eigenen wallet einfach mehr durch Gewinne? Weiß das jemand?

  6. Hallo Matt,
    man erhält einen Gewinn durch den Kursanstieg der Token da diese ja auf Börsen gehandelt werden. Bei ETH ist das im Moment stark zu beobachten.
    Grüße
    Markus

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert