Vor einiger Zeit war ich als Gast bei der Aufzeichnung einer Talkshow zur Zukunft der Banken. Beim Tresen-Networking Im Anschluss fragte mich jemand, welche Beispiele ich für den Einsatz der Blockchain-Technologie in der Verwaltung kenne und wo ich Potential sähe. Damals fielen mir spontan nur die altbekannten Beispiele ein: Bitnation, das mit Estland im Rahmen der dortigen E-Residency kooperiert (von denen es aber sonst lange nichts Neues gab) und diverse Ankündigungen von Projekt X bald in Land Y die Grundbucheinträge über die Blockchain verwalten zu wollen. Stichwort Korruptionsbekämpfung und so.
Blockchain und die Verwaltung. Nicht sexy, aber spannend
Diese Beispiele reichten für eine nette Unterhaltung, aber damals nahm ich mir vor, mal ein bisschen die Augen und Ohren offen zu halten. Blockchain und Verwaltung – das ist nun mal keines der Themen mit denen man mal eben ein sexy Startup gründen und schnell ein paar pralle Finanzierungsrunden abschließen kann. Im Gegenteil – Budgets der öffentlichen Verwaltung sind in der Regel knapp, unflexibel und oftmals schon sehr, sehr lange im Voraus verplant.
Nichtsdestotrotz ist das Anwendungsgebiet spannend. Denn auch wenn man etwas suchen muss, die Realität bietet durchaus interessante Anknüpfungspunkte für Gedankenexperimente. Zum Beispiel in Brandenburg.
Das Dilemma der Kreisgebietsreform
Neulich saß ich also beim Frühstück und hörte im Radio ein Interview mit dem brandenburgischen Innenminister Karl-Heinz Schröter. Darin verteidigt er die Pläne die öffentliche Verwaltung in Brandenburg neu zu organisieren. Denn das Land hat ein großes Problem: nachhaltigen Bevölkerungsschwund. Und dieser Rückgang macht die lokale Verwaltung langfristig teuer und ineffizient.
Denn genau wie bei Banken, deren Filialen sich vor allem in ländlichen Gebieten immer weniger rentieren, ist es auch für die öffentliche Verwaltung schwierig, in jeder noch so kleinen Gemeinde die gleichen Strukturen aufrecht zu erhalten, ohne sich Verschwendung öffentlicher Gelder vorwerfen lassen zu müssen. Auch ein Bürgerbüro muss schließlich ausgelastet sein.
Der Plan ist also, die Strukturen der Verwaltung der realen Bevölkerungsentwicklung anzupassen, d. h., wo möglich, zusammenzulegen.
Weniger Anlaufstellen bedeuten längere Wege
Das wiederum stößt auf begründete Kritik. Man befürchtet, dass man künftig in Brandenburg selbst für banale behördliche Angelegenheiten jedes Mal gleich in eine andere Stadt fahren muss. Bei einer Verkehrsinfrastruktur, in der der Fahrplan der Busse oftmals nicht in Minuten, sondern in Stunden getaktet ist, ginge da für einen Reisepass, die Elterngeldberatung oder den neuen Führerschein schnell mal ein halber oder ganzer Urlaubstag drauf.
Dieses Problem, flächendeckende effiziente Strukturen auch in teils extrem dünn besiedelten Gebieten aufzubauen, ist ein Dilemma und unter den jetzigen Bedingungen letztlich kaum zu lösen. Denn die bürgerrelevanten Verwaltungsstrukturen basieren bislang nun einmal vor allem darauf, dass persönliche Anwesenheit oft Pflicht ist, wenn es mit amtlich rechten Dingen vor sich gehen soll.
Wenn Technologie persönliche Anwesenheit ersetzt
Genau das ist der Punkt, an dem Bitcoin, die Blockchain bzw. eine künftig darauf aufbauenden Technologie ins Spiel kommt. Nämlich wenn man die Idee von einer großen unabhängigen Datenbank im Netz konsequent weiterdenkt. Eine Datenbank, der man vertrauen kann, weil niemand sie manipulieren oder zensieren kann. Eine Datenbank, über die öffentliche Daten frei zugänglich sind, private Daten aber sicher und geschützt und dennoch leicht ausgetauscht werden können.
Solch eine Datenbank könnte dann auch das fehlende Puzzlestück im brandenburgischen Kreisgebietsreform-Dilemma sein. Eine Datenbank, die Amt und Bürger gemeinsam pflegen und deren Integrität beide Parteien vertrauen können, auch wenn sie sich nicht zur selben Zeit im selben Raum befinden. Denn wenn ich meine behördlichen Angelegenheiten nicht zwingend in persona, sondern genauso gut übers Netz erledigen kann, ist es letztlich auch egal, wo das Bürgeramt ist.
Noch ist die Blockchain nicht soweit
Dass es irgendwann so kommen wird, dass wir all unsere Amtsangelegenheiten mit wenigen Klicks übers Netz erledigen, steht außer Frage. Der Elektronische Personalausweis – wenn auch ein Rohrkrepierer – war ja immerhin auch ein Schritt in diese Richtung.
Dennoch steckt in diesem Gedankenexperiment noch viel Zukunftsmusik. Die Blockchain kann die Verwaltung aus vielen Gründen noch nicht „ersetzen“. Die Technologie hat noch nicht das dafür nötige technische Reifestadium, die Mühlen der Verwaltung mahlen langsam und innovative Experimente werden lieber anderen überlassen, die Gewöhnung und das Vertrauen der Menschen in die Blockchain-Technologie ist noch nicht genügend vorhanden und letztlich müsste dafür auch ländliche Regionen in Deutschland endlich mit Breitband versorgt werden. (Und solange die CSU für Letzteres die Verantwortung trägt, wird das wohl noch lange ein bremsender Faktor bleiben.)
Nichtsdestotrotz bleibt das Thema „Blockchain und Verwaltung“ eines, das man im Hinterkopf behalten sollte. Denn letztlich betrifft das Thema Kreisgebietsreform auch andere Bundesländer und viele weitere Beispiele werden sichtbar, wenn man einmal die Augen offen hält. Zudem gibt es auch eine ganze Reihe anderer Länder, die bereits mit der Blockchain experimentieren. Und nicht zuletzt zieht auch Bitcoin selbst das Thema weiter voran. Je mehr sich Bitcoin und die Blockchain etablieren, desto wahrscheinlicher wird es, dass nach der Wirtschaft auch die Verwaltung das Thema bald ernsthaft angeht.
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