Ihr habt es vermutlich mitbekommen: Drei namhafte Medien (BBC, The Economist und GQ (sic!) vermeldeten vergangene Woche Satoshi Nakamoto, den Erfinder von Bitcoin gefunden zu haben. Der auserkorene Wunderknabe: mal wieder ein gewisser Craig Wright.
Craig Wright? War da nicht etwas, mag der ein oder andere nun denken und recht damit haben. Immerhin wurde der Australier schon Ende letzten Jahres durch Gizmodo und Wired als (mindestens Teil-)Satoshi Nakamoto identifiziert. Dass er nun erneut als Bitcoin-Erfinder gehandelt wurde, war jedoch keine weitere Bestätigung dieser These. Schon im Dezember gab es zwar einige gute Argumente, die dafür sprachen, aber letztlich auch zu viele gut begründete Zweifel gegen Craig Wright als Satoshi Nakamoto.
Und genau so war es auch vergangene Woche. Craig Wright selbst(!) wollte ein für alle Mal beweisen, dass er Satoshi Nakamoto sei und konnte neben genannten Medien auch respektable und fachkundige Bitcoin-Experten überzeugen. (Die mittlerweile jedoch auch zurückrudern). Und natürlich war es auch ein geschickt platzierter Medien-Coup, als vergangenen Montag, pünktlich zum Start der Consensus 2016 in New York, der vermutlich größten Bitcoin- und Blockchain-Konferenz des Jahres, die Nachricht um die Welt ging, dass Satoshi Nakamoto gefunden sei. Das Problem war jedoch: Craig Wright hatte gar nicht zweifelsfrei bewiesen, dass er wirklich Satoshi Nakamoto ist. Den Medien ist das jedoch erst einmal gar nicht aufgefallen, sondern der Bitcoin-Community.
Und hier beginnt das Drama um Schmutoshi Hoaxamoto, in dem die Medien leider erneut eine unrühmliche Rolle einnehmen und sich von der Bitcoin-Community zeigen lassen müssen, wie Recherchieren geht. Aber der Reihe nach.
Montagmorgen vergangener Woche sitze ich gerade in der Berliner U-Bahn als mich die Nachricht vom vermeintlich identifizierten Satoshi Nakamoto erreicht. Ich bin selbst gerade auf dem Weg zur ebenfalls an diesem Tag beginnenden Republica, der größten europäischen und mit enormen Medieninteresse begleiteten Konferenz für Internetthemen, Gesellschaft und Netzkultur. Und weil ich dort den einzigen Workshop halten werde, der sich explizit mit Bitcoin beschäftigt, denke ich: „Oha, da werden mit Sicherheit einige Fragen auf uns zukommen. Vermutlich nicht nur in unserem Workshop, sondern auch von Journalisten.“ Denn als Speaker hinterlegt man bei der Republica u.a. seine Telefonnummer genau für den Fall, dass Journalisten mal schnell Kontakt aufnehmen wollen. Ich rechne also mit folgendem Szenario:
- Redakteur eines beliebigen deutschen Mediums bekommt die Meldung rein, dass der Erfinder von Bitcoin identifiziert wurde
- Redakteur fragt sich: a) Ist das relevant? b) Stimmt das? und c) Wieviel Zeit hab ich das zu verifizieren?
- Redakteur überlegt: Wo finde ich möglichst schnell weitere Informationen? Wen kann ich am besten fragen? Wer kennst sich aus?
- Redakteur bemerkt: a) Die Meldung ist vor allem ein Netzthema und b) es gibt mit der Republica aktuell eine große Fachkonferenz für Netzthemen
- Redakteur googelt und bemerkt, dass Bitcoin dort auch ein Thema ist
- Redakteur ruft an und hat nach nicht einmal fünf Minuten die Telefonnummer eines Experten dem er kritische Fragen stellen kann um die Geschichte abzuklopfen.
Ganz offensichtlich war ich jedoch der einzige, der auf diese naheliegende Recherche-Strategie gekommen ist. Denn gemeldet hat sich letztlich: niemand. Weder bei mir, noch bei anderen Bitcoin-Fachbesuchern und Speakern, die sich noch viel besser mit dem Thema auskennen.
Stattdessen gingen nach einiger Zeit die ersten Meldungen in deutschen Medien online. Spiegel Online (die als Medienpartner der Republica sogar live vor Ort waren) titelt zum Beispiel tatsachenbehauptend: Australischer Geschäftsmann hat offenbar Bitcoin erfunden, obwohl zu dem Zeitpunkt, als der Artikel online ging, die Kritik im Netz schon so laut war, dass man ein sehr großes Fragezeichen hinter diese Aussage hätte machen müssen. Das gleiche gilt für tagesschau.de mit „Satoshi Nakamoto“ ist offenbar Australier. Zeit Online, um auch Mal ein positives Beispiel zu nennen, ging inhaltlich mit deutlich mehr kritischer Distanz an die Meldung heran und titelte zumindest wahrheitsgemäß Craig Wright erklärt sich zum Bitcoin-Erfinder. Das ist so zwar korrekt. Nachdenklich machte mich jedoch, dass später ein Redakteur des selben Hauses im Gespräch aus anderem Anlass davon ausging, dass Satoshi Nakamoto wirklich identifiziert worden sei.
Man kann das alles hier für Haarspalterei halten, durch den gekränkten Stolz motiviert, nicht angerufen worden zu sein. Vielleicht ist da sogar was dran. Aber letztlich ist die Kritik ja nicht aus der Luft gegriffen. Zum Beispiel, wenn der genannte Spiegel Online-Artikel die einfache journalistische Grundregel des Zwei-Quellen-Prinzips verletzt. Wenn sich nämlich sämtliche genutzten Quellen auf eine einzige Person zurückführen lassen, bzw. sich nicht ausschließen lässt, dass eine einzige Person die Quelle ist. Nämlich Craig Wright selbst, der von sich behauptet, Satoshi Nakamoto zu sein.
Ich habe einfach mal die von Spiegel Online herangezogenen Quellen aufgelistet und woher diese ihre Informationen haben:
BBC | Primärquelle: Craig Wright |
Economist | Primärquelle: Craig Wright |
GQ | Primärquelle: Craig Wright |
Craig Wrights Blog | Primärquelle: Craig Wright |
Jon Matonis | Primärquelle: Craig Wright |
Wired | Primärquelle: unbekannt (mglw. Craig Wright) |
Gizmodo | Primärquelle: unbekannt (mglw. Craig Wright) |
Craig Wright | Primärquelle: Craig Wright |
Betrachtet man diese Liste fällt es schwer von kritischer Berichterstattung und journalistischer Sorgfalt zu reden. Denn man kann es offensichtlich so zuspitzen: Wenn Craig Wright von sich behauptet, er sei Satoshi Nakamoto, dann berichtet Spiegel Online: Craig Wright ist („offensichtlich“) Satoshi Nakamoto. Willkommen im Qualitätsjournalismus des 21. Jahrhunderts.
Klar, in einem Mini-„Update“ gab es später noch die Hinweise, dass es im Internet Kritik an der Behauptung von Craig Wright gäbe. Aber gibt es bei Spiegel Online denn niemanden, der in der Lage ist, von Beginn an selbst offensichtliche kritische Fragen zu stellen und anständig zu recherchieren? Zumal die zwei drängensten Fragen ja von Anfang an im Raum standen:
- Warum offenbart sich eine Person, um die sich die Öffentlichkeit seit Monaten nicht mehr schert, plötzlich und von sich aus als Satoshi Nakamoto und lüftet damit nicht nur „eines der größten Rätsel unserer Zeit“, sondern nutzt mit der BBC auch noch eines der reichweitenstärksten Medien der Welt, um sich in den Fokus von Ermittlern, Fanboys, Kriminellen etc. zu rücken, wenn er als Motivation angibt, einfach nur in Ruhe gelassen werden zu wollen?
- Warum versucht er auf so verschwurbelt komplizierte Weise zu beweisen, dass er Satoshi Nakamoto ist, wenn es einen fast einstimmigen Konsens darüber gibt, dass es einen vergleichsweise simplen Weg gibt?
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Beide Fragen sind bis heute nicht beantwortet, und werden es wohl auch nicht mehr. Umso mehr hätten sie also jeden stutzig werden lassen müssen, der darüber entscheiden muss, ob er die Behauptung veröffentlichen sollte, dass Satoshi Nakamoto gefunden worden sei. Zumindest, wenn man sich mit dem Thema Bitcoin und dem Phänomen Satoshi Nakamoto etwas auskennt. Und wenn man sich nicht auskennt, dann sollte man eben jemanden fragen. Ist eigentlich ganz einfach.
Glücklicherweise zeigte sich aber erneut, dass die Bitcoin-Community schneller, smarter und effizienter Fakten überprüfte, Unschlüssigkeiten ausfindig machte und Argumente zusammentrug, die dagegen sprechen, dass Craig Wright Satoshi Nakamoto sei, als es die „klassischen“ Medien taten. Wer letzte Woche wissen wollte, ob Sataoshi Nakamoto gefunden worden sei, war bei Twitter, Reddit und auf ausgewählten Blogs wesentlich besser aufgehoben als auf Nachrichtenportalen. Wen soll es dann aber noch wundern, wenn das Vertrauen in diese Medien immer weiter sinkt?
Einzig diese Nachrichtensendung schien durch eine geschickt gesetzte Bild-Text-Schere die richtige Darstellung für die Faktenlage gefunden zu haben:
Denn letztlich gibt es in der Frage „Ist Craig Wright Satoshi Nakamoto?“ nur zwei Fakten, die als gesichtert gelten können:
- Craig Wright hat nicht bewiesen, dass er Satoshi Nakamoto ist und wird es wohl auch nicht mehr beweisen.
- Niemand hat bewiesen, dass Craig Wright nicht Satoshi Nakamoto ist.
Wir sind also, wenn man es genau betrachtet, auf exakt dem selben Erkenntnisstand wie vor dem 2. Mai. Mit einem einzigen Unterschied: Die etablierten Medien haben einmal mehr bewiesen, dass auf sie kein Verlass ist, wenn es darauf ankommt.
Bonus
Auf der Republica haben wir dann aber glücklicherweise aber doch noch jemanden mit Insiderwissen gefunden …
https://twitter.com/bitwala/status/727145832584241152
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