Im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) lief vor einiger Zeit der Beitrag Blockchain: Die Finanzwelt im Banne der Blockchain. Der Autor hat für diesen Beitrag sogar einen Preis gewonnen. Nicht ganz zu unrecht, denn einige Aspekte sind durchaus gut aufbereitet.
Letztlich werden aber wie so oft wichtige Fragen nicht gestellt und selbst konstruierte Widersprüche nicht hinterfragt. Aber ich will nicht zuviel vorwegnehmen. Hier erst einmal der Beitrag:
Nun zur Kritik. In diesem Beitrag wird der Zuschauer mit einem einfachen, aber sehr beliebten Trick an der Nase herumgeführt. Denn der Begriff „Blockchain“ wird zwar einmal erklärt (großes Netzwerk, viele Computer, sicher gegen Hackerangriffe etc.), dann aber recht willkürlich ausgelegt. Nämlich immer so, wie er gerade am besten in den Kontext passt. Das merkt man immer dann, wenn Off-Sprecher und Gesprächspartner zwischen den Termini „die Blockchain“ und „Blockchain“ bzw. „Blockchain-Technologie“ hin- und herwechseln.
„Blockchain-Technologie“ kann alles sein und ist meistens nichts
Dass es jedoch einen enormen Unterschied zwischen diesen beiden Begrifflichkeiten gibt, wird unter den Tisch fallen gelassen. Denn „die Blockchain“ ist die Bitcoin-Blockchain und bietet all die schönen Beispiele, an denen sich erklären lässt, warum die Technologie so revolutionär ist. „Blockchain-Technologie“ ist hingegen eine viel und gern benutzte, aber letztlich hohle Phrase, die nicht mehr bedeutet als „irgendwas mit Computern“, in der sich aber all das so wunderbar technik-mystisch verpackt lässt, was man mal machen will. Also vielleicht. Irgendwann mal. Vorausgesetzt es funktioniert. Was es wahrscheinlich nicht wird.
Zur Erinnerung: Die Idee von einem Internet-Geld ist so alt wie das Internet selbst. Trotzdem hat es Jahrzehnte an Forschung, Entwicklung und Experimentieren gebraucht, bis mit Bitcoin eine ernsthaft funktionierende Variante ihre Tauglichkeit in der Praxis beweist.
Die Vision, eine beliebig variierbare „Blockchain-Technologie“ (idealerweise ohne Bitcoin) zu erfinden, um sie für dieses oder jenes einzusetzen, ist daher keine Leistung. Behaupten kann man ja erst einmal viel. Den schönen Worten aber Taten folgen zu lassen, ist jedoch das, woran all die „Blockchain-Technologie“-Experten dieser Welt bislang scheitern. Denn die Realität zeigt: Entweder es funktioniert oder es hat nichts mit der Blockchain zu tun. (Vgl. dafür Aussagen wie „Wir arbeiten an der Blockchain der nächsten Generation. Aber ohne Blöcke und ohne Kette!“ oder „Das Tolle an unserer Blockchain: Sie ist wiederbeschreibbar!“ usw. usf.)
Sieben Milliarden „Blockchain-Experten“
Um ein „Blockchain-Experte“ zu werden, braucht man aber auch nicht viel. Sogar Sie, lieber Leser, liebe Leserin, sind doch schon längst einer:
- Sie können Dinge in eine Excel-Tabelle eintragen? Sagen Sie ab jetzt, Sie arbeiten mit „Blockchain-Technologie“! Das klingt viel cooler.
- Ihr Computer ist Teil eines Netzwerks, womöglich sogar des Internets? Glückwunsch! Sie arbeiten mit „Blockchain-Technologie“. Verlangen Sie sofort eine Gehaltserhöhung!
- Sie haben schon einmal ein Backup gemacht? Schreiben Sie sich „Blockchain-Technologie-Experte mit Berufserfahrung“ auf die Visitenkarte. Ihre Kollegen werden staunen!
Blockchain-Widersprüche aufdecken!
Aber Spaß bei Seite. Wenn der Begriff „Blockchain“ beliebig gedehnt wird, und Realität und wilde Fantasien in einen Topf geworfen werden, entstehen daraus zwangsläufig Widersprüche. Auch in obigem Beitrag.
Dort wird bspw. in einer kurzen Animation erklärt, wie die (Bitcoin-)Blockchain Banken und andere Intermediäre überflüssig macht. Kurze Zeit später wird über das Bankenkonsortium R3 berichtet, das mit der „Blockchain-Technologie“ den Zahlungsverkehr zwischen den Geldhäusern effizienter machen will.
Spätestens an dieser Stelle müssten doch sowohl der Autor als auch die Redaktion stutzig werden und sich fragen: Will da etwa eine Branche, die offensichtlich kurz davor steht, durch eine neue Technologie abgeschafft zu werden, dieselbe Technologie nutzen, um zuvor noch was auch immer damit zu machen? Sind die komplett bekloppt oder müssen wir den Begriff „Blockchain“ womöglich doch etwas differenzierter betrachten?
Beim SFR hat man sich scheinbar für erstere Antwort entschieden. Das ist zwar ganz sympathisch, hilft aber letztlich nicht weiter. Denn genau der gleiche Blockchain-Argumentationstrick wird auf jeder Fachveranstaltung genutzt, die ich in den letzten Monaten besucht habe, um substanzlose Projekte aufzubauschen, dadurch eine Innovationsfähigkeit vorzugaukeln, die schlichtweg nicht da ist und die Blockchain-Hype-Blase weiter zu befeuern.
Schauen Sie hinter den Blockchain-Hype!
Da die Medien dazu noch nicht in der Lage sind, kann ich Ihnen nur raten: Achten Sie selbst mal drauf, wenn Sie das nächste Mal einen Pitch, eine Präsentation oder einen Beitrag sehen, bei dem es um „Blockchain“ geht. Fragen Sie sich, wann (meist sehr subtil) mit den tollen Eigenschaften der Bitcoin-Blockchain geworben wird und wann die Voraussetzungen, die unweigerlich nötig sind, damit diese Blockchain funktioniert, still und heimlich unterschlagen werden, um ein ganz anderes Konzept zu rechtfertigen, dass ohne die Argumente der Bitcoin-Blockchain-Stärken aber eigentlich ziemlich dünn wirkt.
Sie werden überrascht sein, wie oft das passiert!
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