Netzpolitik Bitcoin

Netzpolitik ohne Bitcoin (leider)

Ich bereite gerade eine Art Beitrags-Serie vor, in der ich mit hiesigen Akteuren aus der Bitcoin-Szene über ihre Erfahrungen im Umgang mit der Technologie und dem digitalem Geld sprechen möchte. Als einen der ersten Gesprächspartner hatte ich mir netzpolitik.org ausgesucht, weil die Seite eine der ersten Redaktionen war, die hier in Deutschland immer mal wieder über Bitcoin berichtet und selbige als Spendenoption eingeführt hat.

Außerdem interessiert es mich, wie das Thema Bitcoin hierzulande aus dem netzpolitischen Blickwinkel wahrgenommen wird. Denn – Verschlüsselung, Open Data, Privatsphäre, Datenschutz und Transparenz – die Schnittmengen zwischen Bitcoin und aktuellen netzpolitischen Brennpunkten sind vielfältig.

Die Antworten, die ich jedoch auf meine Fragen bekam, waren so ernüchternd und enttäuschend, das ich mir wünsche, netzpolitik.org würde vorerst darauf verzichten weiterhin Bitcoins als Spenden für ihre Arbeit zu nehmen.

Ehemalige Bitcoin-Pioniere

Eines vorneweg. netzpolitik.org ist eine wichtige Institution der deutschen Blog-Landschaft und ich möchte keinesfalls die Seite an sich in Frage stellen, sondern nur den derzeitigen Umgang mit dem Thema Bitcoin.

Der ist nämlich erstaunlich ignorant, was besonders negativ auffällt, als dass er früher einmal höchst bemerkenswert war. Immerhin erschien dort bereits im Juni 2011 der erste Beitrag zum Thema Bitcoin und die Archiv-Suche führt mittlerweile zu mehr als 30 weiteren.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema und die Tatsache, dass netzpolitik.org über die Zeit mehr als 16 BTC (derzeit ca. 4.300 Euro) gespendet bekommen hat – also seit Jahren Erfahrung im theoretischen und praktischen Umgang mit Bitcoin hat – stimmten mich also optimistisch auf ein gutes Gespräch. Ich hatte mich allerdings getäuscht.

„Mit Bitcoin kennen wir uns auch nicht mehr aus als du. „

Kurz gesagt: Ein Interview zum Thema Bitcoin habe ich mit dem Hinweis, man wisse auch nicht mehr als ich, gar nicht erst bekommen und meine Fragen per Mail wurden alle mit einem freundlichen, aber bestimmten „nerv  nicht“-Unterton abgeschmettert.

Dabei gibt es zum Thema netzpolitik.org und Bitcoin einige wirklich gute Fragen. Zum Beispiel was es mit dieser etwas sonderlichen Formulierung auf der eigenen Spendenseite auf sich hat:

„Da wir Nerds sind, ermöglichen wir auch Spenden mit der digitalen Währung Bitcoin, auch wenn dessen mittel- und langfristiger Wert derzeit mehr als unklar ist. Aber wir wollen ja nicht unsportlich sein. :)“

Kritisch-skeptischer Unterton, aber zumindest hat sich da jemand Gedanken gemacht, dachte ich. Die Antwort der „Nerds“ per Mail:

„Das haben wir von Tim geklaut: http://metaebene.me/spenden/

Hm. Okay. Kann man machen. Wenn allerdings jemand mittlere vierstellige Spenden-Summen in Bitcoin bekommt und gleichzeitig so unmotiviert eingesteht von dem Thema weder so richtig viel Ahnung zu haben, noch sich damit auseinandersetzen zu wollen, dann irritiert das nicht nur. Bei netzpolitik.org wirkt es sogar grotesk. Denn immer wieder rufen die Verantwortlichen explizit zur finanziellen Unterstützung auf.

Guten Morgen! Es ist 2015 und Bitcoin ist nicht nur Geld

Das mag zwar durchaus berechtigt sein, aber dann sollte man sich auch ein bisschen mehr Mühe geben zu zeigen, dass man auch verantwortlich mit den Spenden umgehen kann. Diese „Schickt uns ruhig euer digitales Geld, wir schaun mal, ob und was wir vielleicht damit anfangen“-Attitüde ist dabei vollkommen fehl am Platze.

Als netzpolitik.org 2011 anfing sich mit dem Thema Bitcoin auseinanderzusetzen, mag der Spruch vielleicht noch ganz passend und amüsant gewesen sein, aber wir haben mittlerweile 2015 und was sich allein im vergangenen Jahr alles im Bereich Bitcoin und digitales Geld ereignet hat, ist in Umfang und Inhalt phänomenal.

Wir stehen am Anfang eines globalen Prozesses in dem digitales, programmierbares Geld alle Lebensbereiche zu beeinflussen beginnt, die mit Geld oder dem Internet zu tun haben. Es entsteht zusätzlich zum Internet der Information das Internet der Werte. Der Digital Native wird gerade vom Digital Money Native abgelöst und 2014 war das Jahr, in dem sich Bitcoin vom belächelten Nerd-Projekt zum ernsthaften und zukunftstauglichen Mainstream-Phänomen entwickelt hat. Dazu noch der gesamte netzpolitische Bezug. Stichwort Verschlüsselung, Open Data, Privatsphäre, Datenschutz und Transparenz.

Netzpolitik ohne Bitcoin

Allerdings scheint netzpolitik.org davon nichts mitbekommen zu haben. Nur vier Beiträge gab es 2014 zum Thema Bitcoin. Die Mt.Gox-Pleite, der falsche Newsweek-Nakamoto und ein Link zu einem Portrait über Gavin Andresen waren (wie fast überall im Netz auch) dabei. Einzig der Link auf die Bitcoin-Definition des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages war etwas Herausragendes. Eine Erwähnung der Digitalen Agenda zum Thema Bitcoin im Bundestag, obwohl quasi vor der thematischen Haustür, fehlt gänzlich.

Das ist wenig. Viel zu wenig für die mehr als 16 durch Spenden eingenommenen Bitcoin.

Mit Bitcoin zu bezahlen ist ein politisches Statement

Denn eines scheinen die netzpolitik.org-Verantwortlichen nicht verstanden zu haben. Bitcoin ist nicht einfach nur eine weitere elektronische Bezahloption. Bitcoin ist eine politische Haltung und jede Bitcoin-Transaktion ist eine explizite Meinungsäußerung.

Auch ich habe netzpolitik.org dieses Jahr etwas gespendet. Und ich habe bewusst in Bitcoin bezahlt. Ich hätte auch etwas flattern, paypalen oder überweisen können und mir sogar eine Spendenquittung dafür ausstellen lassen. Ich habe mich aber bewusst für Bitcoin entschieden. Ich wollte ein Statement setzen. Für Verschlüsselung, Open Data, Privatsphäre, Datenschutz und Transparenz.

Im Jahresabschluss wird Bitcoin nicht einmal erwähnt

Ich wollte netzpolitik.org mit dieser Form der Unterstützung zeigen, dass Bitcoin ein relevantes Thema ist und dass ich mir mehr Berichterstattung darüber wünsche. Offensichtlich vergebens. Denn wie es scheint ist netzpolitik.org diese inhaltliche Aufforderung und die der im weiteren 109 empfangenen Bitcoin-Transaktionen im Jahr 2014 egal. Im Jahresbericht für Einnahmen und Ausgaben 2014 taucht Bitcoin nicht einmal auf.

Unter diesen Umständen wäre es mir tatsächlich lieber, wenn netzpolitik.org vorerst darauf verzichten würde Bitcoins als Spenden zu nehmen. Es passt einfach nicht zusammen, wenn ein netzpolitisches Medium sich so janusköpfig gegenüber einem netzpolitisch relevanten Thema verhält. Denn wenn ihnen bei Bitcoin nur der Geldwert, nicht aber die damit verbundene Botschaft wichtig ist, dann reicht zur Unterstützung von netzpolitik.org auch die klassische Überweisung.


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Kommentare

7 Antworten zu „Netzpolitik ohne Bitcoin (leider)“

  1. Da du mit mir für diesen Beitrag gemailt hast, möchte ich nochmal klarstellen: Wir finden Bitcoin spannend, deswegen bieten wir das als Spendenmöglichkeit an. Unsere Tätigkeit ist jedoch die Berichterstattung über Netzpolitik. Für eine intensive Beschäftigung mit Cryptowährungen fehlen uns schlicht die Ressourcen, wir sind keine Bitcoin-Nerds. Schon alleine die Wechselkurse zu beobachten und einzuordnen kann eine Tagesaufgabe sein. Die Annahme von Spenden per Bitcoin verursacht bei uns einen nicht unerheblichen Mehraufwand als eine Überweisung auf unser Konto. Deswegen steht auf unserer Spende-Seite auch, dass uns Überweisungen am liebsten sind. Es steht dir jedoch frei, zu spenden in welcher Form du möchtest (oder auch nicht). Liebe Grüße

    1. Friedemann Brenneis

      Aber darum geht es doch gerade. Bitcoin ist Netzpolitik.
      Um den Wechselkurs müsst ihr euch dabei gar nicht kümmern – da gibt es genug Menschen, die das auf dem Schirm haben und kommentieren. Dass die Ressourcen fehlen, sich intensiv mit dem Thema zu befassen, kann ich verstehen. Das war ja auch das Fazit der letztjährigen re:publica, dass das Thema Netzpolitik von Jahr zu Jahr immer größer und umfassender wird. Aber mittlerweile ist nun auch einmal Bitcoin Teil davon.
      Was ich euch vorschlagen kann: Fragt nach Hilfe. Die Bitcoin-Community ist größer als man denkt, sehr offen und hilfsbereit. Dann könnt ihr auch euren Aufwand, den ihr mit der Abwicklung von Bitcoin-Spenden habt, auf ein Minimum reduzieren. Abgeordnetenwatch bspw. nimmt jetzt auch Bitcoin-Spenden und sie haben das sehr einfach und elegant gelöst. Und wenn es euch um Inhalte geht, kann ich euch gerne auch mal was zur Verfügung stellen.
      Aber so wie das Thema Bitcoin derzeit auf netzpolitik.org auftaucht, wirkt es nach außen hin halt etwas janusköpfig.

  2. Immer wieder erfrischend, den Coinspondent zu lesen – auch wenn langsam bei dir auch ein leichter Frust mit den Medien aufkommt …

    1. Friedemann Brenneis

      Echt, findest du? Nö, nö – ich bin grundoptimistisch. Aber manchmal muss man ja auch was ansprechen, nich? Außerdem sprech ich heute im Radio über Abgeordnetenwatch und das ist ein positives Beispiel für Bitcoin-Akzeptanz.

  3. Robert Schuster

    Sehe ich ähnlich.
    F/OSS, Privatssphäre, Verschlüsselung, Peer 2 Peer, offene Netz … das waren die Themen, die den Begriff Netzpolitik erst erschaffen haben. Zunächst mußten deren Verfechter der Leuten aus der Vor-Internetzeit erklären das das wichtig ist.

    Nun sieht es so aus, als wenn die Netzpolitiker selber in einer Art Generationsfalle gefangen sind. Sie blicken nicht, dass neue Themen sich auf ihre Agenda drängen.

    Einst kämpften sie gegen die Betonköpfe der Internetausdrucker, nun kriegen sie selber nicht Play, dass es bei Bitcoin nicht um den gegenwärtigen Dollarwechselkurs geht.

    Btw: Es würde mich interessieren, was die Piraten dieser Tage zu Kryptowährungen zu sagen haben.

    1. Friedemann Brenneis

      Trefflich formuliert und zu den Piraten mach ich mir mal einen Recherchevermerk. Das interessiert mich nämlich auch.

      1. Robert Schuster

        Ja und die Ignoranz tut schon weh.

        Jeder der nur ein bisschen nachforscht, weiß das eine von Staaten, Unternehmen und Einzelpersonen unabhängige globale Währung der heilige Gral der Kryptoanarchisten ist, und sich auch aus dieser Ecke die Bestrebungen der Netzpolitik speisen.

        Und Bitcoin ist auch ein Kind der F/OSS-Bewegung! Könnte sich irgendwer Bitcoin-Qt als proprietäre Windows-only App vorstellen, die von irgendeiner Entwicklerbude gebastelt wird?

        Alle Lachen über Bill Gates der in seiner ursprünglichen Fassung von „Road Ahead“ das Internet unterschätzt habe. MS ist heute bei Bitcoin schon involviert, während die Hardcorehacker nur mal nicht „unsportlich“ sein wollen und noch überlegen „wozu das gut ist“ (siehe hier ). Was für ein Treppenwitz ist das?

        Noch ein paar Gruppen zum auf den Zahn fühlen: die FSF bzw. FSFE und die EFF

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