Was mich bis heute noch wundert: Es hat erstaunlich lange gedauert, bis ich im Netz auf den Altcoinspekulanten aufmerksam geworden bin, den Blog, auf dem Markus M. Bohl den Altcoinmarkt analysiert und einsteigerfreundliche Kryptoanlagetipps gibt.
Das ist aus zwei Gründen bedauerlich. Denn zum einen hätte ich mir wohl einige Verluste ersparen können, wenn ich seine Artikel gelesen hätte, bevor ich damals (wie so viele) plan- und erfahrungslos meine ersten Altcoin-Investitionen gemacht habe. Zum anderen schreibt Markus oftmals über Themen, die ich selbst überhaupt nicht auf dem Schirm habe. Obwohl ich mich sehr intensiv mit dem Bitcoin- und Kryptowährungssystem auseinandersetze.
Altcoins verstehen mit dem Altcoinspekulanten
Kein Wunder also, das sein Blog mittlerweile nicht nur einen festen Platz in meinem Feedreader hat, sondern wir hin und wieder – wenn es doch einmal zu Schnittmengen in unserer Berichterstattung kommt – direkt auf Twitter diskutieren.
Wobei die begrenzte Zeichenzahl dort jedoch verhinderte, dass ich die Fragen stellen konnte, die mich schon lange beschäftigen: Was bringt einen eigentlich dazu, mit solch großer Begeisterung und Ausdauer über Altcoins zu schreiben? Denn immerhin gibt es den Altcoinspekulanten schon länger als diese Seite.
Also habe ich Markus kurzerhand zum Interview gebeten. Denn wer Bitcoin verstehen will, sollte sich auch mal mit einem Altcoin-Experten unterhalten.
Vor allem auf Twitter unterwegs: Der Altcoinspekulant
Wann und wie bist du auf das Thema Bitcoin und Co. gestoßen und was war der Grund für deine Entscheidung einen Blog über Altcoins zu machen?
Zuerst auf Bitcoin aufmerksam geworden bin ich, als in Folge der Verhaftung von Julian Assange eine Spendenkampagne zur Unterstützung von ihm und von Wikileaks initiiert worden ist, wobei auch Bitcoin gespendet werden konnten. Ich glaube das war 2012. Eingestiegen bin ich aber erst im November 2013, nachdem ich einen Artikel des Journalisten Oliver Janich über Bitcoin gelesen hatte. Damals erschien mir Bitcoin schon im Blasenmodus und überkauft. Ich bin aber dank Bloggerkollege Marcus Pleines auf Altcoins aufmerksam geworden und mir erschien es logisch, dass die gestiegenen Bitcoin-Kurse auch auf diese Exoten übergreifen würden. Als zweite Welle quasi.
Zudem reizte mich bei Altcoins, von Anfang an dabei zu sein (die meisten Coins waren erst wenige Monate alt) während der Bitcoin bereits vier Jahre auf dem Buckel hatte und bereits 270 Euro kostete. Ich kaufte 1,4 Bitcoin bei Bitcoin.de und dieser Bestand wurde sofort bei BTC-e in Altcoins umgetauscht. BTC-e hatte damals fast noch einen höheren Status für Altcoins als die heutige Nr. 1 Poloniex. Ich erwarb Litecoin, Primecoin, PPcoin, Namecoin, Novacoin und Feathercoin. Das Timing war genau richtig, der große Altcoinbullenmarkt begann und fast jede der genannten Coins konnte sich innerhalb weniger Wochen auf EUR-Basis verzehnfachen. Mich erinnerten die starken Kursanstiege an den Neuen Markt der Frankfurter Börse. Allerdings gab es im deutschsprachigen Bereich keine Berichterstattung, welche sich primär dem An- und Verkauf von Altcoins widmete. Das war nicht verwunderlich, die Kryptoszene war damals noch recht homogen von „Tech-Nerds“ dominiert. Mein Blog schloss hier eine Lücke und sollte eine Brücke schlagen zu breiteren Bevölkerungsschichten, welche weniger technisch versiert sind.
Deutschsprachige Blogs, die sich dauerhaft mit Kryptowährungen auseinandersetzen, konzentrieren sich meist auf Bitcoin. Was fasziniert dich so an Altcoins?
Zunächst einmal war das Thema Bitcoin im Jahr 2013 bereits sehr gut abgedeckt mit Blogs und journalistischen Publikationen. Generell lautet mein Credo, berichte über nichts, was bereits im deutschsprachigen Raum zu lesen war. Zudem sah ich bei Bitcoin die Kurse bereits ausgereizt und bei Altcoins noch viel schlummerndes Potential. Die meisten Altcoinprojekte hatten damals eine Marktkapitalisierung von unter 10 Millionen Dollar. Hier lag ein enormer Hebel.
Der Blog sollte mir auch helfen diszipliniert zu bleiben und meine Hausaufgaben zu Kryptoprojekten zu machen. Ich hatte davor schon diverse Blogs zu Wertpapiermärkten laufen, so handelte es sich für mich um ein Umsatteln auf einen neuen Markt. Neben den finanziellen Anreiz hat mich auch die neue Technik sehr interessiert. Ich war sehr neugierig darauf wie diese Projekte den Bitcoin herausfordern oder ergänzen wollen.
Also obwohl der Blog Altcoinspekulant heißt, war mir neben der Spekulation auch der Einfluss auf die Zukunft wichtig. Ohne persönliches Herzblut ginge es nicht. Ich habe im Laufe der letzten drei Jahre bestimmt 80 Altcoin-Wallets auf meinem Computer laufen gehabt und jedes Mal freute ich mich darüber, wenn ich sie zum Laufen bekam. Speziell bei neuen Projekten waren das ziemliche Herausforderungen.
Was qualifiziert dich denn eigentlich überhaupt dazu „Der Altcoinsspekulant“ zu sein? Woher stammt dein technisches und ökonomisches Fachwissen?
Prinzipiell braucht man um „Altcoinspekulant“ zu sein keine besonderen Vorkenntnisse. Ich komme allerdings aus dem Bankenbereich und war einige Jahre als Wertpapieranalyst tätig. Das Wissen um die Finanzmärkte half mir enorm weiter, da an den Altcoinmärkten vor allem von Amateurtradern und Minern dominiert werden, da die „Big Player“ hier kein nennenswertes Volumen vorfinden.
Es fällt mir zum Beispiel relativ leicht Kursbewegungen zu lesen auf Grund dieser langjährigen Erfahrung. Allerdings fehlt mir aktuell für das Traden meistens die Zeit, so dass ich normalerweise Positionen über Monate oder Jahre halte. Nxt zum Beispiel halte ich seit dem Dezember 2013 und ich habe nie verkauft.
Zudem qualifiziert mich gerade meine technische Unbedarftheit. Ich habe nur durchschnittliche Computerkenntnisse. Ein erfolgreiches Altcoinprojekt muss einfach genug sein, dass ich es auf meiner Maschine zum Laufen bekomme. Wenn ich es nicht schaffe, schafft es die breite Masse auch nicht und es kann dann auch kein durchschlagender Erfolg werden.
Decred war hier ein gutes Beispiel dafür. Die Tech-Nerds liebten es, ich schrieb es sofort ab. Und wie es aussieht behalte ich hier Recht. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass der „Noob“-Schutz bei mir eine hohe Stellung genießt. Mir liegt die deutsche Kryptoszene am Herzen, ich versuche mein Wissen und meinen Einfluss zu Nutzen um die Community vor falschen Investments und Scams zu schützen. Nur so kann die Szene wachsen und eine gewisse Eigenständigkeit entwickeln.
Jeden Euro den zum Beispiel OneCoin wegen mir weniger einnimmt, ist ein kleiner Sieg für mich. Auch unterstütze ich deutschsprachige Projekte vorrangig, berichte also auch über kleinere Projekte wenn das Team aus dem deutschsprachigen Bereich kommt.
Auf deinem Blog schreibst du oft über Themen, die ich selbst nicht auf dem Schirm habe. Wie findest du eine Themen? Wo informierst du dich und welches sind deine besten Quellen?
Meine erste Quelle ist Twitter, hier lassen sich viele News in kurzer Zeit abrufen, sofern man den richtigen Leuten folgt. Dann ganz klar Announcements bei Bitcointalk. Das ist dann in der Tat eine Sisyphusarbeit und erinnert an die Suche der Stecknadel im Heuhaufen. Aber der Aufwand lohnt sich, so konnte ich schon manche Perle entdecken.
Ich übersehe dabei aber auch viel und ich habe viele relevante Projekte auch verpasst. Das hängt auch damit zusammen, dass die Märkte enorm dynamisch sind und um eine umfassende Berichterstattung bieten zu können, man hier eigentlich ohne Pause dran bleiben müsste. Ich bin aber voll berufstätig und verbringe auch gerne Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern, ich kann daher selten mehr als 1-2 Stunden täglich für Kryptos aufwenden. Man merkt das meinem Blog auch an, ich kann selten mehr als einen Beitrag in der Woche schreiben.
Altcoins gibt es unzählige. Allein diese Seite listet 777 verschiedene auf. Die „Perlen“ zu finden, ist das Ziel des Altcoinspekulanten.Altcoins gibt es gefühlt wie Sand am Meer. Wann ist ein Projekt für dich relevant genug, um darüber zu schreiben?
Für mich gibt es hier mehrere Kriterien. Zunächst einmal, ist es ein neues Projekt oder nur ein Klon? Wer sind die Entwickler, konnten sie bereits in der Vergangenheit überzeugen? Ist die Coin zeitgemäß, daher bietet sie einen Mehrwert auf Sicht von mindestens ein bis zwei Jahren? Ist die Zielsetzung realistisch oder handelt es sich um Wunschdenken/Utopie? Wie wird das Projekt umgesetzt, überzeugt das Team nicht nur durch technisches Können sondern auch mit guten Kommunikations- und Marketingfähigkeiten? Wie ging das Team mit Rückschlägen im bisherigen Entwicklungsprozess um? Die Antworten auf diese Fragen geben schon ein gutes Bild.
Ich mache mir dann auch die Mühe in den Threads Fragen zum Projekt zu stellen, um noch offene Punkte abzuklären. Meistens stellen sich die CEOs auch Interviews zur Verfügung. Wenn es bereits ein Beta gibt probiere ich auch die Coin bei mir zu installieren um zu sehen, wie diese Kryptowährung funktioniert.
Ich habe auch keine ideologischen Barrieren. Viele der Community sind immer noch Miner, die wie eine Monstranz ihr Proof-of-Work-Prinzip vor sich herhalten aber niemals in ICOs („Initial Coin Offering“, z. Dt. Neuemissionen) von Proof-of-Stake-Währungen investieren würden. Dies ermöglichte den Freiraum entsprechende Projekte nahezu exklusiv zu verfolgen wie zum Beispiel Nxt im Dezember 2013.
Mein Erfolgsrezept ist es auch Wichtiges von Unwichtigen zu unterscheiden und mich dann nur in die wirklich ganz interessanten Projekte festzubeißen. Hier gehe ich dann richtig in die Tiefe. So habe ich zum Beispiel IOTA und Lisk entdeckt und war hier tatsächlich Pionier und First Mover. Bei IOTA hatte dies den interessanten Effekt, dass zwei Drittel der Community deutschsprachig sind.
Insgesamt betrachtet kann man sagen, dass vor allem neue Projekte welche über ICOs an den Markt kommen mein Steckenpferd sind, sowie sogenannte „Giveaway-Coins“, also Projekte, welche die Coins gratis verteilen, um so eine gewisse Community für sich zu gewinnen.
Deinen erster Beitrag hast du im Dezember 2013 veröffentlicht. Über die Jahre betrachtet, wie hat sich der Altcoinmarkt verändert?
Es ging ja fulminant los mit dem Mega-Altcoinbullenmarkt, welcher zum Beispiel Litecoin bis zu einer Marktkapitalisierung von einer Milliarde Dollar führen sollte Ende 2013. Zudem erschien im Dezember 2013 mit Nxt die erste echte 2.0 Kryptowährung auf dem Markt, also komplett neuer Code mit vielen Zusatzfunktionen wie Asset-Exchange und Marktplatz.
Wir hatten dann noch bis in den Frühsommer 2014 hinein einen Scrypt-Coin-Boom, teilweise überlappend mit den Ländercoins aka Auroracoin oder Germanycoin. Die Scrypt-Coin-Endphase war für mich spannend, da ich hier aktiv über meine Erfahrungen als Scrypt-Coin-Miner geschrieben habe. Wohlwissend, dass diese Phase wegen den ASIC-Minern bald der Vergangenheit angehören würde.
Wegen der Bitcoin-Baisse, welche voll auf den Altcoinmarkt durchschlug, folge dann eine lange Sauregurkenzeit. Es war kein Geld mehr an den Altcoinmärkten zu verdienen, so dass ich einstweilen dem Markt den Rücken kehrte. Ich bin konsequent genug nichts zu schreiben, wenn es nichts zu gewinnen gibt.
Erst als sich ein erneuter Aufwärtstrend bei Kryptowährungen vor circa einem Jahr zeigte, stieg ich wieder ein. Das Timing war goldrichtig, mein Comeback war, was die Qualität meiner Beiträge sowie Treffsicherheit anging, weitgehend gelungen.
Was erwartest du für die Zukunft? Haben Altcoins überhaupt eine Zukunft?
Altcoins werden meiner Ansicht nach immer eine Zukunft haben. Zunächst einmal als Experimentierfeld für Lösungen, die später beim Bitcoin implementiert werden können. Bei Altcoins können solche Dinge ohne großen finanziellen Aufwand getestet werden. Oder auch um völlig neue Anwendungsgebiete zu erschließen.
Nehmen wir hier zum Beispiel den IoT-Bereich. Ich glaube man sollte Kryptowährungen wie Fahrzeuge vergleichen. Keiner käme auf den Gedanken mit einem Traktor ein Formel 1-Rennen zu fahren oder einen längeren Familienausflug. Alles für seinen Zweck. Bei Krpytowährungen versteigen sich viele in der irrigen Annahme, der Bitcoin müsste jede Leistung abdecken können. Das wird nicht funktionieren, es wird spezifische, zweckgebundene Blockchainprojekte brauchen.
Du gibst auf deinem Blog sehr konkrete Anlagetipps. Hast du von Seiten der Nutzer schon Ärger bekommen, weil ein Tipp mal nicht den erwünschten Ertrag brachte?
Speziell seit einem Jahr lag ich ja meist richtig. Mich erreichen aktuell eher Dankmails, weil die Leser wegen meiner Berichterstattung zum Beispiel in IOTA oder Lisk investiert haben.
Kritik gab es vor allem zur Anfangszeit, da ich die technischen Aspekte der Coins oft nur unzureichend abdecken konnte mangels Wissen. Zudem merkte man auch den Widerwillen der alten Kryptojünger an, dass sich hier einer vor allem die finanziellen Aspekte der Märkte annahm, anstatt die technischen Details der Coins.
Am meisten Post bekomme ich allerdings von OneCoin-Jüngern oder -Vetriebspartnern, welche dieses MLM-Schema loben und meine negative Berichterstattung nicht nachvollziehen können. Ich hoffe der Spuk ist bald vorbei, der Schaden wird leider immens werden, das deutet sich jetzt schon an.
Wenn ich mich mit dem Altcoinmarkt beschäftigen und deine Blogbeiträge verstehen will – welches Vorwissen sollte ich dafür idealerweise mitbringen?
Ich versuche jeden Beitrag so gut es geht anfängerfreundlich zu gestalten. Es wäre aber sicher gut, gewisse Grundlagen zu Kryptocoins zu kennen. Ganz ohne Fachbegriffe geht es nicht. Bei Fragen stehe ich meinen Lesern gerne zur Verfügung. Auch können meine Beiträge kommentiert werden. Ich versuche auch in meinen Beiträgen mit vielen Hyperlinks entsprechende Zusatzinformationen zu packen, um so ein möglichst ein umfassendes Bild bereitzustellen.
Zum Abschluss noch eine Prognose: Wie steht es um Kryptowährungen in fünf Jahren? Welche Projekte werden noch da sein und wie werden sie die Welt verändert haben?
Fünf Jahre bei Kryptowährungen sind ja wie 50 Jahre in normaler Zeit. Es fällt mir auf Grund der ungeheuren Dynamik der Altcoinmärkte sehr schwer dies zu beantworten. Ich vermute allerdings, dass wir mehr Projekte sehen werden aus dem Finanzsektor, welche dann mit viel Feuerpower in den Markt gedrückt werden.
Die klassischen Projekte mit einem Entwickler + Marketing-Mann, werden es in Zukunft immer schwerer haben. Ich sehe zudem das Ende von Proof-of-Work und dafür einen Aufschwung bei Kryptowährungen für spezifische Anwendungen. Ich glaube die 2.0 Währungen, welche als Eierlegende Wollmilchsau alles für jeden erledigen sollen, werden keine bedeutende Rolle mehr spielen. Ethereum kann hier eine Ausnahme bleiben als Baukasten für Smart Contracts.
Ethereum traue ich zu auch in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen und ich glaube auch der Bitcoin wird seinen Status als digitales Gold behalten können. Wie das richtige Gold wird er aber in der Praxis nicht als Zahlungs- sondern vor allem als Wertaufbewahrungsmittel dienen.
Dahinter wird es aber eher Coins für spezifische Anwendungen geben, die nur eine oder zwei Funktionen aufweisen, daraufhin aber optimiert sind. So wie IOTA zum Beispiel als Baustein im Internet der Dinge. Die Marktkapitalisierung der Altcoins wird stark zunehmen, es werden hier Milliarden investiert werden, davon bin ich überzeugt. Wir befinden uns immer noch in der Anfangs- und Pionierphase. Es wird spannend für uns bleiben und wir werden beide noch viel zu berichten haben.
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