Am 19. August 2016 habe ich den Beitrag Finanztest warnt vor Onecoin und Swisscoin online gestellt. Seitdem ist der Beitrag hier im Blog in einer unglaublichen Geschwindigkeit zum meist abgerufenen Einzelartikel des gesamten Jahres aufgestiegen. Mit großem Abstand.
Das gibt mir zu denken.
Was ist das nur für 1 Coin?
Denn ich bekomme mittlerweile auch Mails, in denen renommierte Persönlichkeiten um Rat bitten, weil sie als Repräsentant für Onecoin oder ähnliche Projekte angeworben werden sollen und sich nun fragen, inwieweit letztlich ihre eigene, gute Reputation genutzt werden soll, um den umstrittenen Ruf ebenjener Projekte aufzupolieren.
Auch werden immer wieder trollige Kommentare wie bspw. der folgende abgegeben (die es aber aus verständlichen Gründen allesamt nicht durch die Moderation schaffen): „Swisscoin ist eine Raubkopie von Onecoin. Wenn du Beweise findest das onecoin nicht seriös ist wäre ich dir sehr dankbar. Und damit meine ich NICHT die ganzen hirnlosen Vermutungs Artikel. Ich bin bei onecoin und es ist das beste was es gibt. Sobald ein Unternehmen richtig gut läuft wird es schlecht geredet. Pfui“
Darüber hinaus hört man aus Berlin, dass dort mittlerweile regelrechte Drückerkolonnen von einem Bitcoin-Event zum nächsten ziehen, um mit großem Nachdruck „Kryptowährungsprojekte“ auf Basis von Multilevel-Marketing zu „vermarkten“.
Argument- und Materialsammlung gegen die Unsicherheit
Es herrscht also große Verunsicherung beim Thema OneCoin, Swisscoin, Giracoin und wie sie alle heißen. Daher habe ich mich entschieden hier noch einmal eine Art Materialsammlung zu erstellen, um Neugierigen und Verunsicherten gleichermaßen eine einfache Möglichkeit zu geben, sich eine Meinung zu bilden.
Mit meiner eigenen Meinung halte ich mich dabei so weit wie möglich zurück. Zum einen reagieren Vertreter obiger Projekte sehr dünnhäutig auf Kritik und haben Blogger bereits abgemahnt. Zum anderen kann jeder selbst entscheiden, was er mit seinem Geld macht. Ich jedenfalls beschäftige mich mittlerweile lange genug mit Kryptowährungen, um zu wissen, dass ich nicht einen einzigen Cent in Projekte wie Onecoin, Swisscoin etc. investieren würde. Warum, zeigen auch die folgenden Punkte:
1. Diverse Experten warnen vor Onecoin, Swisscoin und Co
Man kann von (staatlichen) Institutionen halten, was man will. Man kann sie ablehnen (wie es auch viele Bitcoiner tun), aber wer clever ist, sollte ihnen dennoch zuhören, selbst wenn man anderer Meinung ist. Denn wenn man berücksichtigt, dass zu den Aufgaben folgender Institutionen u. a. Verbraucherschutz zählt und dass dort sehr gut ausgebildete und in ihrem Fachgebiet erfahrene Menschen arbeiten, dann haben diese Aussagen durchaus Relevanz:
- Die belgische Finanzmarktaufsicht warnt vor Onecoin
- Die britische Finanzmarktaufsicht warnt vor Onecoin und die Londoner Polizei ermittelt.
- Die österreichische Finanzmarktaufsicht warnt vor Geschäftsmodellen mit Kryptowährungen
- Auch die BaFin prüft Onecoin
- Finanztest: Bitcoin Nachahmer: Riskante virtuelle Währungen
2. Kritische Diskussion kommt zu negativem Ergebnis
Mittlerweile sind im Netz einige lesenswerte und aufschlussreiche Artikel zu Onecoin, Swisscoin und vergleichbaren Projekten erschienen. Einige davon sind sehr meinungsstark, andere versuchen sich dem Thema unvoreingenommen zu nähern. Man sollte sie alle lesen, um Pro- und Contra-Argumente gleichermaßen kennen zu lernen.
Dass die folgende Liste keine Artikel enthält, die eine starke Pro-Meinung vertreten, ist keine Absicht. Es gibt sie schlichtweg nicht, bzw. wenn, dann verfolgen sie meist werbliche Zwecke, d. h. es gibt keine hinreichende Trennung von Werbung und Redaktion (Ziffer 7, Pressekodex).
- Neuer Anbieter im Kryptogeld-Kasino – Süddeutsche Zeitung
- Warnung vor OneCoin, Avalon Life, Swisscoin, Giracoin und Lara – Der Altcoinspekulant
- Digitale Währung OneCoin. Lockruf des schnellen Geldes – Neue Zürcher Zeitung
- OneCoin: Riesen Gefahr oder super Chance? – Bitcoinblog
- Swisscoins: So dubios, dass sogar OneCoiner warnen? – Bitcoinblog
- OneCoin, Swisscoin, Giracoin & sonstige MLM-Coins – Leinert Consult
- OneCoins: Finger weg von der neuen „Kryptowährung“! – Huffington Post
- Aktuelle Lage zu OneCoin / Warnung und Vermutung eines illegalen System – ORF2 heute konkret
https://youtu.be/mF9cQNe3pS8
Interessant ist auch dieses Research-Paper islamischer Gelehrter, das sehr umfassend und auf Basis einer umfassenden Quellenarbeit folgende Punkte bespricht:
- what OneCoin is
- whether OneCoin is a reputable and credible organisation or not
- the history of the founders and leaders
- the legal status of OneCoin
- its portrayal in the media
- how payments work
- whether the economic claims are valid
- the value of the educational packages
- if OneCoin is an actual cryptocurrency or not
- what the experts say regarding OneCoin
und zu dem Schluss kommt, dass es nach islamischem Recht unzulässig ist, bei diesem Schema mitzumachen.
3. Kryptisch ist nicht gleich kryptographisch
Eine ganz einfache, aber wichtige Regel in Bezug auf Investitionen lautet:
Investiere in nichts, dass du nicht verstanden hast!
Beherzigt man diese Regel, sollte man sich zunächst fragen, ob man kurz und in eigenen Worten das Wort „Kryptowährung“ erklären kann. Insbesondere die Herkunft des Wortteils „Krypto“ ist dabei relevant. Denn es kann sowohl vom Wort „kryptisch“ kommen als auch vom Wort „kryptographisch“. „Kryptowährung“ ist also nicht gleich „Kryptowährung“. Die eine basiert auf Kryptographie (z. B. Bitcoin), die meisten anderen auf kryptischen Geschäftsmodellen.
Solange man den Unterschied nicht kennt, sollte man weder in die eine, noch in die andere investieren. Kennt man den Unterschied, wird man das Interesse an allem, was nicht Bitcoin ist, recht schnell verlieren. Denn ganz generell sind die Chancen, im Bereich „Kryptowährungen“ Geld zu verlieren, immens. Selbst wenn man „nur“ mit Bitcoin agiert.
- Why are there so many Bitcoin Scams? – Coincenter
Das neue Medium „Kryptowährung“ ist dabei letztlich nur ein neues Mittel zu einem alten Zweck. Denn die Menschen versuchen schon seit Anbeginn der Zeit sich gegenseitig übers Ohr zu hauen. Leider viel zu oft sehr erfolgreich.
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Wer nun konkrete Kritik an Onecoin sucht, der wird bei Bruce Fenton fündig, der folgende Kritikpunkte formuliert:
- OneCoin promises extremely high rates of return bordering on the mathematically impossible
- OneCoin claims to be backed with a „blockchain“ there is no evidence that there really is such a blockchain by any readable definition
- OneCoin has lack of transparency as to what exactly it is offering to its investors
- since OneCoin claims that proceeds will only be released after months or years it makes victims less likely to be aware they have been victims
- OneCoin claims to be based on blockchain technology but there is no evidence that any such blockchain has been developed
- the marketing meetings and presentations of OneCoin make use of unsubstantiated claims and misleading information (such as the use of stock footage claiming it was „mining“ a cryptocurrency
- the tokens generated in the OneCoin project are locked up for a significant period of time, causing investors to believe there will be future value to these in some years when this is extremely unlikely, probably impossible
- OneCoin places arbitrary values on fictitious tokens which do not have a relation to real value on any major exchange or other free market or independent measurement of value
Man kann diese Kritikpunkte als Meinung eines Einzelnen sehen, dennoch sollte man sich der Tatsache bewusst sein, dass Fenton als Board Member der US-amerikanischen Bitcoin Foundation durchaus die Expertise hat, diese Kritikpunkte auch zu belegen.
Darüber hinaus ist es bemerkenswert, wie deckungsgleich seine Argumente mit denen der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) sind. In deren Stellungnahme „FMA warnt Verbraucher zu besonderer Vorsicht im Umgang mit virtuellen Währungen und Geschäftsmodellen oder Anlageprodukten, die darauf aufbauen“ heißt es:
„Überdies erhält die FMA vermehrt Anfragen zu Geschäftsmodellen oder Anlageprodukten, die auf virtuellen Währungen aufbauen. Diese sind in der Regel so konzipiert, dass sie unter keine Konzessionspflicht fallen und daher ebenfalls nicht beaufsichtigt werden. Es handelt sich dabei zum Beispiel um Ankauf oder Veranlagung in Soft- oder Hardware, die angeblich besonders ertragreich virtuelles Geld erschaffen kann oder besonders ertragreich damit handeln kann. Oder etwa um angebliche virtuelle Währungen, für deren ertragreiche Nutzung vorher Informations- und Schulungsmaterial erworben werden muss. Viele davon sind ähnlich „Multilevel Marketing Plans“ (MMPs), wie sie von Strukturvertrieben verwendet werden, aufgebaut. Diese sind dadurch charakterisiert, dass jeder Kunde gleichzeitig neue Kunden und neue Verkäufer akquiriert und nach einem ausgeklügelten System prozentuell an deren Umsätzen beteiligt wird. Hierbei besteht die große Gefahr, dass es sich dabei um ein betrügerisches „Schneeballsystem“ handelt: Bei einem solchen werden etwaige Auszahlungen an frühe Einsteiger aus den Einzahlungen der später hinzugekommenen geleistet, bis das System allein schon aus mathematisch statistischen Gründen zusammenbrechen muss. Oder es handelt sich um ein gesetzlich verbotenes Pyramidensystem, das in §168a StGB wie folgt definiert ist: „Gewinnerwartungssysteme, dessen Teilnehmern gegen Einsatz ein Vermögensvorteil unter der Bedingung in Aussicht gestellt wird, dass diesem …. System unter den gleichen Bedingungen weitere Teilnehmer zugeführt werden und bei dem die Erlangung des Vermögensvorteils ganz oder teilweise vom bedingungsgemäßen Verhalten weiterer Teilnehmer abhängt.“
4. Es ist schwer überzeugende Pro-Argumente zu finden
Damit diesem Artikel keine Einseitigkeit vorgeworfen werden kann, habe ich für Freunde des Postfaktischen dennoch versucht, eine überzeugende Pro-Stimme für Onecoin zu finden. Das ist gar nicht so einfach, aber bei der Recherche bin ich auf dieses Video gestoßen, das beispielhaft die (oftmals recht diffusen) Pro-Argumenten und das zugehörige Argumentationsmuster zeigt. Es ist ein Statement des Onecoin-Fanboys Tom McMurrain, in dem er darlegt, warum Onecoin seiner Meinung nach kein Schneeball-System sei.
Bevor man sich das anschaut, sollte man jedoch wissen, dass ein gewisser Tom McMurrain 2005 wegen diverser Betrugsdelikte, u. a. einem Kredit-Betrugs-System, in den USA zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Seine Firma hieß damals übrigens Emergency One Cash Card Inc. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
https://youtu.be/6umjkR3bmO8
Wie mit solchen kryptischen „Angeboten“ umgehen?
Das ist abschließend die wichtige Frage, die auch in der Crypto-Community diskutiert wird. Denn viele teilen die Befürchtung von Bruce Fenton, dass, sollten irgendwann einmal tatsächlich durch Onecoin oder ähnliche Projekte Geschädigte zurückbleiben, sich das in der öffentlichung Wahrnehmung negativ auch auf alle anderen Kryptowährungsprojekte auswirken wird.
Kreative Vorschläge gehen daher in die Richtung bspw. Onecoin mit den eigenen Marketing-Waffen zu trollen: „Just create a scam called TwoCoin, and for whatever OneCoin claims, have it claim twice as much.“
Am besten ist es aber wahrscheinlich Onecoin und Co. ganz einfach zu ignorieren. Denn letztlich ist sogar nicht einmal der Name des Projekts einmalig. Den echten Onecoin gab es nämlich schon 2013 und damals wusste man schon …
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Bild: Zechariah Judy (CC BY 2.0)
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