Vergangenen Montag fand in München die Value of Bitcoin Conference statt, eine Veranstaltung, die ob ihrer inhaltlichen Ausrichtung und Zielgruppe bei mir im Vorfeld ziemlich hohe Erwartungen geweckt hatte.
Rückblickend kann ich sagen, dass sich diese Erwartungen mehr als erfüllt haben.
Die Value of Bitcoin – Streiten auf hohem Niveau
Selten war ich auf einer Konferenz, in der Agenda und Speaker so gut kuratiert waren, die Vorträge so knackig und informativ waren und Diskussionen so hitzig geführt wurden. Oder anders gesagt: Wenn du es schaffst, einige der profiliertesten Forscher, Wissenschaftler, (Zentral-)Banker, Investoren und Bitcoiner so kontrovers und streitlustig miteinander in einen Dialog zu bringen, weißt du, dass du als Organisator alles richtig gemacht hast.
Dann entstehen nämlich Momente, die einem in Erinnerung bleiben. Wie zum Beispiel als Alex de Vries (im Titelbild zu sehen) in seinem Vortrag „The (un)sustainability of Bitcoin„, in dem er den Stromverbrauch von Bitcoin als ausgesprochen negativ darstellte, seine Thesen mit einer Karte belegen wollte.
Diese zeigte die globale Verteilung der Mining-Epizentren. Alex de Vries kritisierte, dass der Punkt für das kanadische Québec viel zu groß sei. Ein aktuelles Interview mit einem lokalen Energieversorger würde auf deutlich geringere Nutzung der dortigen regenerativen Quelle Wasserkraft fürs Mining hinweisen.
Direkter Widerspruch aus dem Publikum
Dem widersprach allerdings umgehend ein Teilnehmer aus dem Publikum, der sich als in Québec beheimatet zu erkennen gab. Das Interview bezöge sich nur auf die Zahlen eines der vielen Energieversorger in der Region.
Als anschließend auch noch Michel Rauchs das Wort ergriff, der am Cambridge Centre for Alternative Finance der Judge Business School der University of Cambridge eben jene 2nd Global Cryptoasset Benchmarking Study verantwortet hat, aus der Alex de Vries die kritisierte Karte entnommen hatte, war klar, dass hier und heute genau der Ort ist, an dem all diese normalerweise weit verteilt arbeitenden Menschen zusammenkommen müssen, um sich auszutauschen und, wenn nötig, auch zu streiten.
Teils heftige und emotionale Debatten
Das Mining- und ökologischer Fußabdruck-Thema war dabei nicht das einzige, bei dem es kontrovers und erfrischend hitzig zuging. Im Panel „Bitcoin from a financial market and investment perspective“ platze schließlich dem prominenten und eloquenten Bitcoiner Saifedean Ammous (Autor von The Bitcoin Standard) im Publikum der Kragen.
Zuvor hatte er selbst schon einen Vortrag gehalten („Bitcoin as the working free market alternative to national central banks“) und mit Jochen Metzger von der Deutschen Bundesbank, Christopher Waller von der US-amerikanischen Fed und Thorsten Polleit vom Goldhändler Degussa zum Thema „A free market for private money – central banks under pressure?“ diskutiert.
Wobei gerade die beiden Zentralbänker hier stark in die Mangel genommen wurden. Teils zurecht, teils jedoch nicht. Denn fairerweise muss man darauf hinweisen, dass sie dabei auch für Dinge zur Rede gestellt wurden, die sie gar nicht selbst zu verantworten haben.
Als Vertreter des „alten Systems“ wurden sie letztlich aber zur leichten Zielscheibe und dabei argumentativ in Sippenhaft für Entscheidungen genommen, die Politiker nicht aber die Zentralbanker getroffen haben. Vielleicht müsste man solch eine Diskussion beim nächsten Mal um ebendiese politische Vertreter erweitern.
Unwissenheit, Provokationen und die Stimmung kocht hoch
Doch war das noch harmlos im Vergleich zum Panel „Bitcoin from a financial market and investment perspective“, in dem die Auseinandersetzung teils hart und bis an die Gürtelline geführt wurden. Zwischenruf aus dem Publikum in richtung eines Panelteilnehmers: „Es gibt Leute, die haben das Buch [das Sie zitieren, Anm.d.R.] tatsächlich gelesen. Sie gehören offensichtlich nicht dazu!“
Konkret ging es um die provokante Frage, ob Bitcoin letztlich nicht doch nur eine Spekulationsblase sei wie so viele zuvor – allerdings um ein Vielfaches größer. Vertreten wurde diese These vom Hans-Jörg-Naumer (Allianz), der sie mit einer mitgebrachten Grafik untermauern wollte.
Allerdings fiel vielen im Publikum schnell auf, dass besagte Grafik nicht korrekt ist, weil sie nur einen willkürlichen Ausschnitt des Bitcoin-Kurses zeigt, der die Entwicklung der ersten fünf Jahre von Bitcoin vollkommen außer acht lässt. Diese Manipulation triggerte lautstarke und energische Kritik und war der Zündfunken für eine aufgebrachte, emotionale und teils mit harten Bandage geführte Diskussion zwischen und unter Publikum und Panel-Teilnehmern.
Dass sich der zweite Vertreter des klassischen Investorenlagers, Alexis Eisenhofer, in diesem Schlagabtausch zu der entblößenden Aussage hinreißen ließ, dass er ohnehin nichts mit Bitcoin anfangen könne, weil Blockchain-Technologie sowieso der viel heißere Scheiß sei, war das größte Fettnäpchen, das in dieser Situation zu finden war. Vor allem, da es ja den ganzen Tag schon vielseitige und fundierte Vorträge gegeben hatte, die genau diese Aussage längst ad absurdum geführt hatten.
Ähnliche Lacher erntete später nur noch der Teilnehmer, der bemerkte, dass man ja noch gar nicht über die Möglichkeiten von Ripple gesprochen habe! Nur konnte der glücklicherweise gleich wieder im Publikum abtauchen und musste nicht noch eine Paneldiskussion durchstehen, auf die er sich bedeutend zu schlecht vorbereitet hatte.
Hoher Lernfaktor
Neben den hitzigen, lebhaften und unterhaltsamen Debatten zwischen Bitcoin-Skeptikern und -Befürwortern, die durch die organisatorische Ausrichtung der Value of Bitcoin ja unbedingt gewollt war (und erfreulicherweise niemandem im konferenztypischen nachmittäglichen Schnitzel-Koma versacken ließen), war das Event aber noch aus einem anderen Grund von Wert: Es gab wirklich viele interessante Einblick („Security of Bitcoin private keys: from hardware to quantum attacks“) und einiges zu lernen.
Wie die von der BIS (Bank for International Settlements) kreierte Money Flower, in der Cyrus de la Rubia (Hamburg Commercial Bank) in seinem Vortrag „Bitcoin as catalyst for Central Bank Digital Currencies (CBDC)“ Bitcoin verortete und diskutierte.
Oder die Zentralbankkonten für jedermann, die in Deutschland mangels Nachfrage in den Neunzigern wieder abgeschafft wurden.
Und selbst die Vertreter der Banken-Seite gingen offensichtlich nicht leer aus.
Video-Aufzeichnungen sollen noch kommen
Glücklicherweise wurden alle Sessions in Bild und Ton aufgezeichnet und stünden sie schon online würde ich hier jede einzelne verlinken. Bis sie (hoffentlich bald) online gehen, lohnt es sich für noch ein paar mehr Einblicke den Konferenz-Liveblog von Holger Rohm nachzulesen, der ein treffliches Fazit gefunden hat, dem ich eigentlich nichts mehr hinzufügen kann:
Bitte mehr von diesem Format!
Außer natürlich, dass es unbedingt eine Fortsetzung der Value of Bitcoin geben muss. Nicht nur, weil es international kein vergleichbares Event gibt und das Feedback der Speaker und Teilnehmer (jedenfalls soweit ich das mitbekommen habe) so positiv war, sondern auch, weil sich mit diesem auf Diskurs und Austausch ausgelegten Format ein regelmäßiges Bitcoin-Event mit erkennbarem Mehrwert und Alleinstellungsmerkmal aufbauen ließe. Wenn viele anderen Konferenzen gefühlt einen immer größeren Schwerpunkt auf Erlebnis und Entertainment legen, ist die intellektuelle Auseinandersetzung mit Bitcoin immer noch die reizvollste.
Außerdem muss man den Kollegen der BayernLB eine Chance geben, zu zeigen, dass sie das mit der Vergabe guter Passwörter besser können.
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