Nun ist sie also vorbei die re:publica 2014 und die Meinungen, ob gelungen oder nicht, gehen auseinander. Zu groß und unübersichtlich den einen – die mit Abstand weltweit bedeutendeste Netzkultur-Konferenz für die anderen.
Fakt ist: Es ist eine enorme Herausforderung allen Entwicklungen, Themen und Tendenzen zum Oberthema Netzkultur und -politik angemessen und ausgewogen zu repräsentieren. Bitcoin und digitale Währungen blieben dieses Jahr dabei allerdings abgeschlagen auf der Strecke. Da zwingt sich die Frage auf: Wie klein ist die Nische tatsächlich, in der das Bitcoin-Protokoll in Deutschland (noch) sein Dasein fristet?
Eines vorab um Missverständnisse zu vermeiden. Die re:publica ist eine großartige Institution und war auch dieses Jahr eine tolle Veranstaltung. Jegliche Kritik ist Jammern auf hohem Niveau und Meckern ist immer leichter als selber machen. Wer – wie ich sonst – aus beruflichen Gründen die letzten Jahre auf dem zeitgleich stattfindenden Medientreffpunkt Mitteldeutschland war und die Entwicklung beider Events über die Jahre verfolgte, dem geht vor Glück und Vorfreude das Herz auf, nachdem er drei Schritte auf das re:publica-Gelände gemacht hat. Innovation, Freigeist, Offenheit und zeitgemäße und beeindruckend reibungslose Organisation an jeder Ecke. Und dass eine alle zufrieden stellende Programmauswahl nur ein Ideal sein kann, lässt sich nicht ändern, wobei ich sicher bin, dass sich die Organisatoren diesbezüglich für nächstes Jahr etwas einfallen lassen werden.
Nun aber zu den Erfahrungen mit dem für mich spannenden Teil der Konferenz: das Thema Bitcoin und digitale Währungen. Sie waren überraschend, enttäuschend und lehrreich.
Die Bitcoin-Nadel im Session-Haufen
Zunächst einmal zum Programm an sich. Von 350 Sessions an drei Tagen auf zwölf Bühnen, gab es nur eine einzige, die sich mit dem Thema Bitcoin beschäftigt hat: The digital money revolution von Radoslav Albrecht.
Was mich in diesem Zusammenhang so verwundert hat, ist, dass im Gegenzug gefühlt jede zweite andere Veranstaltung irgendwo auf die Problematik von monopolisierten Netzstrukturen, von Überwachung und zentralisierten Institutionen, von Macht und einseitigen Abhängigkeiten zu sprechen kam, dort aber in den meisten Fällen nicht über den Punkt „Wir müssen etwas unternehmen, aber so richtig innovative Ansätze (außer mehr Mehr Verschlüsselung!) haben wir gerade auch nicht.“ hinauskam.
Das hat mich tatsächlich erstaunt überrascht und ein bisschen erschreckt. In der linken Hand ein Problem, in der rechten mit dem Bitcoin-Protokoll ein möglicher Lösungsansatz. Auf der re:publica 2014 gab es jedoch keine Möglichkeit für beide zusammen zu kommen.
Das ist umso bedauerlicher, als dass die re:publica insofern die ideale Plattform dafür gewesen wäre, weil sie mittlerweile eine so solide und professionelle Reputation hat, dass sie selbst die schrägsten und unkonventionellsten Ideen, Ansätze und Entwicklungen seriös ins Licht der Öffentlichkeit rücken kann. Nun geht jedoch leider ein weiteres Jahr ins Land bis sich wieder die Gelegenheit bietet Bitcoin von seinem Image als verkacktes Nerdgeld zu lösen und als technische Innovation mit enormen gesellschaftlichem Gestaltungspotential darzustellen.
Bitcoin – Selbst unter dem Radar von Netzexperten
Aber woran lagt das? Gab es beim Call for Papers dieses Jahr keine guten Bitcoin-Themenvorschläge? Hat das re:publica-Team das Thema absichtlich außen vor gelassen? Oder hat nicht nur die allgemeine Öffentlichkeit, sondern selbst die tech- und netzaffine ein einseitiges, möglicherweise verklärtes Bild von Bitcoin?
Diese Fragen haben mich nicht losgelassen und deshalb habe ich die Gelegenheit genutzt und in einer Zigarettenpause ganz kurz mit Johnny Häusler, einem der Gründer der re:publica, darüber gesprochen. Das Fazit: Es war keine Absicht Bitcoin auf der re:publica so stiefmütterlich zu behandeln, allerdings gab es auch keinen Anlass es nicht zu tun. Zum einen sei die Qualität der eingereichten Session-Vorschläge nicht überzeugend genug gewesen, zum anderen war Bitcoin ja schon vor drei Jahren mal Thema auf der re:publica gewesen.
Das hat mich stutzig gemacht. Drei Jahre! Das ist eine respektable Leistung. Damals war Bitcoin definitiv noch ein absolutes Nischenthema, aber wenn ich bedenke was sich allein in den letzten sechs Monaten getan hat, welches Wachstum und welche Entwicklung die weltweite Community erfahren hat, wie sich das Bitcoin-Ökosystem kontinuierlich manifestiert und diversifiziert und wie viele Krisen Bitcoin durchstanden hat, ohne daran zu zerbrechen und wie es jedes Mal stabiler, verbessert und resistenter daraus hervorging, dann bin ich schon erschrocken wie wenig das in der allgemeinen Öffentlichkeit und selbst bei Netzthemen-Experten wahrgenommen wird.
Noch einmal: Ich mache Johnny und den Programmplanern der re:publica absolut keinen Vorwurf, dass sie das Thema mehr auf dem Schirm hätten haben müssen. Das wäre der falsche Weg. Es geht hier nicht um eine Frage von Schuld als vielmehr um ein für mich lehrreiches Signal und die Erkenntnis, dass Bitcoin in Deutschland noch viel unbeachteter ist, als ich es bisher angenommen habe.
Bitcoin ist nur das, was Spiegel Online darüber schreibt
Und dass die großen Medien mit ihrer Bitcoin ist nur dann ein Thema, wenn es in der Krise steckt-Berichterstattung einen noch viel größeren Einfluss haben, als bisher gedacht, denn es gab vermutlich niemanden auf der re:publica, der nicht von der Mt.Gox-Pleite gehört hätte, aber nur wenige, die wussten, dass Bitcoin zunächst einmal ein Protokoll ist und die Währung Bitcoin nur eine der möglichen Anwendungen dieses Protokolls ist.
Das wurde mir ganz erschreckend und unmittelbar in der Session Lohnt sich Online-Journalismus überhaupt noch. Das Problem der Monetarisierung. vor Augen geführt. In dieser Diskussion ging es u.a. um die Möglichkeiten wie Blogs einfache und unkomplizierte Bezahl-Optionen für Leser implementieren können um sich zu refinanzieren. Es wurde dabei von Richard Gutjahr ein neues WordPress-Plugin vorgestellt, das das Bezahlen von Kleinbeträgen noch einfacher machen soll, dabei aber auch immer noch recht umständlich ist. Das Wort Bitcoin fiel in der gesamten Stunde allerdings nicht ein einziges Mal. Zumindest bis ich (bei Minute 52:30) mal ganz vorsichtig nachfragte und mir sofort eine ziemlich barsche und emotional aufgeladene Abfuhr von Sascha Pallenberg einhandelte, die vor allem eines zeigte: Frust und gefährliches Halbwissen.
Ich rede und diskutiere ja viel mit Leuten über das Thema Bitcoin und tatsächlich gibt es diese pauschale Ablehnung, diese alles albern, deswegen interessiert es mich nicht-Haltung vor allem von Leuten , die nichts über Bitcoin wissen als das, was sie bei Zeit Online, Spiegel Online und den anderen großen Medien mal eben im unkritischen Durchscannen so aufschnappen. Was besonders erstaunlich ist, ist wiederum, dass in selber Diskussion auf der Bühne angeprangert wird, dass eben diese Medien im Prinzip alle untereinander austauschbare Newsschleudern sind, die nur die aktuellsten Hype-Nachrichten wiederkäuen.
Dies aber durchaus offensichtlich sehr erfolgreich, wenn man sich deren Bitcoin-Berichterstattung anschaut und mit dem Wissensstand von Sascha Pallenberg vergleicht – immerhin einer der erfolgreichsten deutschen Tech-Blogger.
Die Nische ist klein, noch kleiner als gedacht
Aber auch hier kein Vorwurf, sondern eine Erkenntnis, dass Bitcoin eben immer noch ein klitzekleines Nischenthema in Deutschland ist und das der Weg, das Thema seriös in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen, ein sehr langer ist.
Aber, dass sich dieser Weg lohnt, hat die re:publica auch gezeigt. Direkt im Anschluss an die einzige Bitcoin-Session am Donnerstagnachmittag bildete sich ein intensiv diskutierendes Grüppchen voller Neugieriger und Interessierter, denen ihre Fragen zum Thema wirklich unter den Fingernägeln brannten und die endlich und ausführlich wissen wollten, was es denn nun wirklich mit Bitcoin auf sich hat.
Ich bin überzeugt, davon gab es auf der re:publica noch viel mehr und wenn sich das Orga-Team dazu durchgerungen hätte, das Schlagwort #Bitcoin bei der Session mit ins Programm zu schreiben oder vielleicht doch eine deutschsprachige Session zum Thema auszuwählen, wäre die Veranstaltung vermutlich ein noch viel größerer Publikumsmagnet gewesen.
Und das persönliche Fazit?
Zur re:publica zu fahren, hat sich für mich definitiv Fall gelohnt. Die Sessions waren interessant, aber vom Hocker gehauen haben mich wie erwartet die wenigsten. Nichtsdestotrotz habe ich sehr viele spannende und interessante Menschen getroffen, mit denen ich mich sehr angeregt und ebenbürtig über Bitcoin unterhalten und gestritten habe, unabhängig davon wie viel sie vorher davon wussten. Und je weniger sie wussten, desto größer war im Allgemeinen ihre Neugier (Sascha Pallenberg mal außen vor gelassen).
Das zeigt für mich, dass das Thema durchaus für die Menschen relevant ist. Bitcoin ist in den Medien ja ohnehin immer wieder präsent und nahezu jeder hat bereits davon gehört. Der nächste Schritt ist nun seriös und solide zu informieren und aufzuklären, was es damit eigentlich genau auf sich hat. Ich für meinen Teil werde also weiter im Sinne einer kritischen Bitcoins Education arbeiten und bloggen und ich hoffe, dass die re:publica 2015 in diesem Zusammenhang ebenfalls eine größere Rolle spielt.
Darüber hinaus war die diesjährige re:publica für mich aber insofern lehrreich, als dass ich die Gelegenheit hatte meinen eigenen Focus für dieses Blog neu zu justieren. Ich dachte tatsächlich das Thema wäre in der Öffentlichkeit schon präsenter. Ist es aber nicht. Gut zu wissen.
Unterstützung willkommen!
An Konferenzen teilzunehmen kostet Geld. Falls dir dieser Beitrag etwas wert ist, freue ich mich über eine kleine Unterstützung um auch weiter zum Thema Bitcoin und digitales Geld berichten zu können.
Schreibe einen Kommentar