Jörg Platzer ist einer der prominentesten Bitcoiner in Deutschland. Nun hat er ein Buch über Bitcoin geschrieben. Das war dringend notwendig, denn bisher fehlte es an fachkundiger Grundlagenliteratur, die das komplexe Phänomen Bitcoin aufschlüsselt und dem neugierigen und interessierten Publikum auf verständliche Weise nahe bringt.
Bitcoin kurz & gut. Banking ohne Banken soll diese Lücke nun füllen. Das Buch ist unterhaltsam, lehrreich und für solch ein anspruchsvolles Thema überraschend kurzweilig, überzeugt aber noch nicht hundertprozentig. Trotzdem wird „Der Platzer“ erst einmal das deutschsprachige Standardwerk zum Thema Bitcoin werden und alles in allem auch zu Recht.
Anschaulich, anspruchsvoll, plakativ
Jeder, der schon einmal versucht hat Bitcoin zu erklären, weiß wie anspruchsvoll diese Aufgabe ist. Entweder läuft man Gefahr sich zu sehr in Details zu verheddern oder man kommt vom Hundertsten ins Tausende oder nutzt unbemerkt derart viel Fachvokabular, dass das Gegenüber schon lange ausgestiegen ist, noch bevor man sich so richtig warm geredet hat. Jörg Platzer macht diesen Fehler nicht.
Er schreibt anschaulich, bringt gute Beispiele und schafft es dadurch dem abstrakten Sachverhalt Bitcoin eine nachvollziehbare Greifbarkeit zu geben. Gleichzeitig findet er eine gute Balance zwischen Einfachheit und Anspruch. Bitcoin wird mit verständlichen Worten erklärt, geht jedoch wo es nötig ist auch in die Tiefe und fordert so den Leser zum aktiven Mit- und Selberdenken auf. Sei es durch eingestreute Interviews mit Experten, in denen man zusätzliche Einblicke in die Herausforderungen von Wallet-Programmierung, Bitcoin-Anonymisierungsdienste oder die derzeitige steuerrechtliche Situation bekommt oder durch plakative Exkurse in die Geschichte der Kryptographie und des Geldes.
Defragmentierung des Bitcoin-Wissens
Bitcoin kurz & gut soll ein Grundlagenbuch sein und sich vor allem an Einsteiger richten. Zu denen würde ich würde mich zwar nicht mehr zählen, dennoch habe ich das Buch mit großem Interesse nahezu am Stück durchgelesen. Denn in jedem Kapitel konnte auch ich mir als fortgeschrittener Bitcoiner neue Fakten, Details oder Zusammenhänge erschließen und nicht nur das. Bitcoin – kurz & gut zu lesen war eine regelrechte Erleichterung.
Denn wer sich intensiv mit Bitcoin beschäftigt, sammelt dabei Unmengen von bruchstückhaftem Wissen an. Hier eine Forumsdiskussion, da ein Blogbeitrag, dort ein Bankenstudie und hier wieder ein wissenschaftliches Paper. Nicht immer ist es leicht da zwischen Fakten und Meinung unterscheiden zu können, Wichtiges von Belanglosem zu trennen. Beim Lesen dieses Buches konnte ich jedoch ein Stück mehr Ordnung in dieses Chaos des Halbwissens bringen. Es hat mir geholfen mein Bitcoin-Wissen zu defragmentieren. Ein befreiendes Erlebnis, für das ich sehr dankbar bin.
Die 2. Auflage wird besser
Dennoch gibt es auch einige Kritikpunkte, die benannt werden müssen. Besonders die überdurchschnittliche Zahl an Typos und offensichtlich vergessenen Korrekturrunden erwecken immer wieder einen schluderhaften Eindruck. „Kein Druckwerk ohne Fehler“ lautet eine alte Weisheit und ich will in meinem Glashaus nicht mit Steinen jonglieren, aber vergessene Leerzeichen brechen nun einmal den Lesefluss, wenn Jahreszahlen im „das recherchier ich noch einmal“-Format 20XX stehen, ist das unschön und wenn sie wie im Falle der Mt.Gox-Pleite, die nicht 2013, sondern 2014 war, auch noch falsch sind, ist das grob fahrlässig.
Aber das sind Mängel, die sich in einer Neuauflage mit verhältnismäßig wenig Aufwand beseitigen lassen. Etwas komplexer wird es das Buch von (gewolltem oder ungewolltem) Productplacement zu befreien. Es ist schwer über Bitcoin zu schreiben ohne auf bestimmte Dienstleister und Anbieter zu verweisen. Jörg Platzer benennt dieses Problem auch und versucht, wo immer es geht, auf Open-Source- und nichtkommerzielle Alternativen zurückzugreifen, aber bei der jetzigen Auswahl bleibt dennoch hier und da ein Geschmäckle und besonders als fortgeschrittener Nutzer fragt man sich immer wieder, warum hier jetzt gerade dieser Wallet-Service, Marktplatz-Anbieter oder Altcoin vorgestellt, jener aber nicht einmal genannt wird?
Objektivität erhöhen
Um den Vorwurf verdeckter Werbung zu entkräften, könnten sich Verlag und Autor künftig an den Richtlinien orientieren, wie sie auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten. Man darf über kommerzielle Anbieter sprechen, aber man muss auch die Konkurrenten nennen. Im Fall von Wallet-Anbietern könnte man bspw. auf eine kleine Liste mit Alternativen im Anhang verweisen und bei Altcoins würde die zusätzliche Orientierung an der jeweiligen Marktkapitalisierung oder anderen statistischen Parametern einen Objektivitätsbonus liefern.
Dann wäre nämlich auch das Dogecoin-Phänomen im Buch, das ich schon ein bisschen vermisst habe. Vor allem da es mit der Cool Runnings II-Spendenaktion zu den Olympischen Winterspielen oder dem Dogecoin-Nascar-Auto richtig gute Geschichten gibt, die zu dem noch einen weiteren wichtigen Punkt veranschaulichen, der für den Erfolg von Kryptowährungen bedeutend ist: die Community.
Fazit: Klare Kaufempfehlung
Trotz allem. Bitcoin kurz und gut ist ein absolut empfehlenswertes Buch und ein passender Korken für das große deutschsprachige Bitcoin-Informationsloch, auch wenn er hier und da noch ein bisschen wackelt. Einsteiger bekommen einen fundierten und nachvollziehbaren Einblick in die Grundlagen von Bitcoin und sogar darüber hinaus. Fortgeschrittene finden ein ordnendes Nachschlagewerk für Fakten und Zusammenhänge, das berechtigterweise die Bitcoin-Standardlektüre der kommenden Jahre sein wird.
Besonders, wenn dann noch dieser alberne Satz aus dem Buch verschwindet, an dem sich jeder stören wird, der die frühe Geschichte von Bitcoin kennt:
„Die Darstellung eines Alpakas im Zusammenhang mit dem Thema Bitcoin ist ein Warenzeichen von O’Reilly Media, Inc.“
Äääähm, nein!
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