Die Bitcoin-Presseschau fasst jeden Sonntag die wichtigsten Informationen, Entwicklungen und Links aus dem Bereich Bitcoin und digitales Geld zusammen. Für die Woche vom 17. bis 23. August 2015 mit folgenden Themen:
- Die BitcoinXT-Situation: Ein Erklärversuch
- Neues vom Kurs
- Weitere besorgniserregende CoinTelegraph-Interna
- Mehr Bitcoins für Griechenland
- Banken und die Blockchain
- Fidor: Digitale Inkompetenz der Politiker als Standortnachteil
- Die Bank of England findet Bitcoin spannend
- Bitcoin in China: so ist der Status Quo
- Neues von der Bitcoin-Weltreise
Die BitcoinXT-Situation: Ein Erklärversuch
Ohne Zweifel: wir befinden uns in einer der spannendsten Bitcoin-Phase seit langem. Und das meine ich wörtlich, denn so (an)gespannt wie die Bitcoin-Community derzeit (re)agiert, muss etwas Großes im Busch sein. Oder nicht? Ist der heiße Brei BitcoinXT überhaupt so kritisch, wie all die behaupten, die aufgeregt um ihn herumtanzen: Entwickler, Medien, Händler, User?
Ich jedenfalls war sehr froh, dass gerade in dieser Woche der monatliche Bitcoin-Stammtisch hier Leipzig stattgefunden hat, denn so offen und kontrovers wie am Donnerstag haben wir schon lange nicht mehr diskutiert und eines wurde schnell offensichtlich: selbst wir, die wir uns alle recht intensiv mit dem Thema beschäftigen, konnten uns zwar viele einzelnen Fragen beantworten, aber die ganz großen zentralen Fragen bleiben vorerst offen: Was steckt hinter BitcoinXT und wie geht es jetzt weiter mit Bitcoin?
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Vielfach schlechte journalistische Aufarbeitung
Dessen ungeachtet ist aber schon jetzt erkennbar, dass die Lage nicht so schlimm ist, wie manche Medien es in ihrer Klickzahlengeilheit gerne darstellen. Die Formulierungen der Drama-Queen Süddeutsche „Bitcoin-Land brennt“ ist zu Beispiel deutlich übertrieben (und der Artikel enthält einige Fehler) und auch der „bitcoin civil war“, den der Business Insider UK zu erkennen meint, existiert so nicht.
Klar, es gibt Forderungen Gavin Andresens Privilegien als Core-Developer zu beschneiden oder ihm den Titel „Chief Scientist“ der Bitcoin Foundation zu entziehen und vielfach wird die BitcoinXT-Debatte hitzig und emotional geführt, aber wer das als „Bürgerkrieg“ bezeichnet und das „Land brennen“ sieht, dessen Formulierungen möchte ich wissen, wenn Nazis und andere Schwachmaten gegen Flüchtlinge hetzen und deren Asylunterkünfte anzünden.
Eigentlich ist bisher nichts passiert
Also, liebe Journalistenkollegen, schön die Füße still halten und erst einmal weiterlesen. Zum Beispiel dieses ausführliche FAQ vom BitcoinBlog zum Thema BitcoinXT, das u.a. erklärt, dass die Bitcoin-Blockchain bisher gar nicht gespalten wurde. Es gibt bislang keine Hard Fork und es wird sie so schnell auch nicht geben. Die Spaltung der Blockchain ist nur eine Option, die frühestens am 11. Januar 2016 umgesetzt wird und nur, wenn bis dahin 75 Prozent aller Miner dem zugestimmt haben.
Oder anders gesagt: Eigentlich ist bisher nichts passiert, außer dass eine Entweder-Oder-Abstimmungsoption in der Blocksize-Debatte geschaffen wurde. Warum diese Debatte wichtig ist, kann man hier nachlesen und eine Übersicht über den aktuellen Stand der BitcoinXT-Abstimmung gibt es auf xtnodes.com. Demnach laufen derzeit knapp 14 Prozent aller gut 6500 Bitcoin-Nodes mit BitcoinXT. Da in letzter Instanz jedoch nicht die Nodes, sondern die Miner abstimmen ist auch deren Zahl interessant. Nach dieser Pool-Analyse von Blocktrail werden derzeit bereits ein Viertel aller Blöcke von Minern erzeugt, die den 8 MB-Blocksize-Vorschlag befürworten, den BitcoinXT beinhaltet.
Warum BitcoinXT wichtig und richtig ist
Trotzdem bleibt die drängendste Frage: Ist BitcoinXT nun die ultimative Lösung für die Blocksize-Debatte? Die Antwort: Ja und Nein. Nein deshalb, weil BitcoinXT vielfach als nicht bis zum Ende durchdacht beurteilt wird. Technisch gibt es zum Beispiel Zweifel an der recht willkürlich gewählten 75 Prozent-Hürde und ob sich die Überschreitung dieser überhaupt einwandfrei wird belegen lassen.
Auch lassen die Umstände, unter denen BitcoinXT veröffentlicht wurde, viele Fragen offen. Vergleicht man bspw. den Start von Ethereum mit dem von BitcoinXT wirkt letzterer außerordentlich rumpelig. Während der Launch von Ethereum von einer hervorragend koordinierten Öffentlichkeitsarbeit begleitet wurde, war BitcoinXT irgendwie auf einmal da und dann brach das Chaos aus. Im Subreddit r/bitcoin kochte bspw. die Stimmung hoch, weil BitcoinXT-Beiträge dort willkürlich zensiert und User verbannt wurden, die positiv darüber berichteten (Mittlerweile gibt es r/bitcoin_uncensored und r/bitcoinxt und den Reddit-Ersatz voat.co/v/bitcoin). Aber auch andernorts im Netz flammte die Debatte hoch und verließ bald die sachliche Ebene und damit auch das eigentliche Thema: die vorgeschlagenen Änderungen von BitcoinXT.
Dabei wäre diese Debatte ziemlich spannend. Immerhin gibt es eigentlich doch sinnvollere und elegantere Vorschläge als die BitcoinXT-Variante Blocksize in regelmäßigen Abständen pauschal zu vergrößern bis die Blöcke eine geradezu absurde Größe erreicht haben werden.
BitcoinXT ist eine gute Sache
Trotzdem ist BitcoinXT eine gute Sache. Denn ganz ohne Zweifel bringt es ordentlich Schwung in die festgefahrene und ermüdende Blocksize-Debatte, indem es die vielen Vorschläge auf nur noch zwei Varianten reduziert und diese zur Kampfabstimmung freigibt. Dass BitcoinXT dabei scheitern wird, ist nicht unwahrscheinlich und vielleicht sogar politisch gewollt.
Denn in so einer festgefahrenen und schwer zu moderierenden Situation, wie die, in der sich die Blocksize-Debatte derzeit befindet, ist es faktisch unmöglich aus dem Stand einen guten Konsens zu finden. Dafür ist die Diskussion viel zu sehr aufgeladen mit Emotionen und persönlichen Befindlichkeiten. Egos und grundsätzliche Standpunkte spielen ebenso eine Rolle wie ökonomische Interessen. Selbst wenn bereits die ideale Lösung der Blocksize-Problematik vorläge, es gibt derzeit keine Möglichkeit diese politisch durchzubringen.
Es sei denn die Gemüter beruhigen sich wieder und all die Spannungen, die die Blocksize-Debatte in der Bitcoin-Community aufgebaut haben, finden ein Ventil. Zum Beispiel einen Vorschlag der polarisiert, provoziert und an dem die ganze Bitcoin-Welt sich zunächst einmal abreagieren kann, um anschließend die Debatte wieder auf einer erwachsenen Ebene fortzuführen.
Ich halte Gavin Andresen für smart genug das zu erkennen. Er hat schon einige Male gezeigt, dass er die Community moderieren kann und möglicherweise bringt er mit BitcoinXT genau das Bauernopfer, das politisch nötig ist um die Debatte um die Blocksize wieder in lösungsorientierte Bahnen zu lenken.
Das würde zumindest erklären, warum BitcoinXT an einigen Stellen nicht bis zu Ende durchdacht wirkt. Das muss es nämlich gar nicht sein, wenn es so eh nicht umgesetzt werden wird. Aber sein Scheitern kann die dringend nötige Grundlage schaffen danach einen tragfähigen und Community-weit akzeptierten Kompromiss zu finden. Vielleicht schon beim ScalingBitcoin-Workshop Anfang September in Montreal?
Weitere Artikel zur BitcoinXT-Thematik:
- Bitcoin XT: Neue Variante des Standardclients spaltet die Community – Heise
- The Bitcoin Schism Shows the Genius of Open Source – Wired
- Bitcoin’s forked: chief scientist launches alternative proposal for the currency – The Guardian
- Forking hell – The Economist
- Bitcoin XT Big Block Fork Spurs Debate and Controversy – Bitcoin Magazine
Der Bitcoin-Kurs
Die Ungewissheit um BitcoinXT wirkt sich auch auf den Bitcoin-Kurs aus, der diese Woche deutliche Verluste verzeichnet. Besonders markant war ein Flash Crash am Dienstag auf Bitfinex, der den Kurs (nur dort) kurzzeitig um 35 Prozent auf 162 US-Dollar einbrechen ließ. Das hat mit den Möglichkeiten des sehr spekulativen Margin-Trading bei Bitfinex zu tun. Eine ausführliche Analyse dazu gibt es hier. Das Wall Street Journal erklärt es etwas einsteigerfreundlicher.
News, Links & Lesetipps
More on CoinTelegraph From a Former Writer – ZapChain
#Bitcoin #Journlismus #Zweifel
Warum ich seit drei Wochen über die Glaubwürdigkeitskrise von CoinTelegraph berichte? Weil es bislang viel zu wenig Medien gibt, die kompetent über Bitcoin berichten (können) und dieses Informationsvakuum dubiosen Anbietern wie CoinTelegraph ermöglicht, auch ohne journalistische Ansprüche (bspw. Objektivität, Trennung von Anzeige und Redaktion, den Unterschied zwischen Zitat und Plagiat erkennen etc.) zu einem der reichweitenstärksten und prominentesten Bitcoin-Medien aufzusteigen.
Rollout of 1,000 Bitcoin ATMs planned for Greece as interest in cryptocurrency surges – International Business Times
#Bitcoin #Griechenland #Startschuss
Ist das der echte Startschuss für Bitcoin in Griechenland? Nachdem die Griechen durch geschlossene Banken und stark eingeschränkte Geldversorgung (60 Euro pro Tag) die negativen Aspekte der Abhängigkeit von zentralisiertem Geld schmerzlich am eigenen Leib zu spüren bekommen haben, könnte die geplante großflächige Verbreitung von Bitcoin-Geldautomaten das gestiegene Interesse an dem nicht zensierbaren digitalen Geld nun auffangen. Das ist ziemlich gutes Timing. Nicht nur weil das Interesse in der Bevölkerung an Bitcoin wächst, sondern auch, weil die instabilen politischen Verhältnisse es unwahrscheinlich machen, dass die sich in Auflösung befindliche Regierung gegen die Bitcoin-Automaten vorgehen wird. Es stehen schließlich Neuwahlen an.
Bank-Wise Analysis of Blockchain Activity – Let’s Talk Payments
#Banken #Blockchain #Zusammenfassung
Hilfreiche Übersicht von Banken und deren jeweiliges Interesse an Bitcoin und der Blockchain-Technologie.
Matthias Kröner CEO of Fidor Bank: Why isn’t bitcoin being executed by banks? – International Business Times
#Kryptowährungen #Deutschland #Regulierung
Sehr aufschlussreiches Interview mit dem Chef der Fidor Bank, Matthias Kröner. Neben der wiederholten Feststellung, dass beim Thema Digitalisierung der größte Standortnachteil die fehlende Kompetenz der hiesigen Politiker ist („We have parliament which is organised in a way that they are too stupid to secure their IT systems.“), sind die eigenen, frustrierenden Erfahrungen mit der BaFin besonders lesenswert.
Bank of England: Bitcoin is “Harder Money” than Gold Due to Deflation – Bitcoin Magazine
#Bitcoin #Geld #Potential
Die Skepsis gegenüber Bitcoin schwindet weiter und weicht interessierter Neugier. In einem Workshop der Bank of England zum Thema Old Money, New Money ist Bitcoin und sein Potential als Geld und Technologie daher ein ziemlich großes Thema.
Bitcoin in China: An Insider’s View – CoinDesk
#Bitcoin #China #Status Quo
Leon Li, der Chef von Huobi, einer der drei größten chinesischen Bitcoin-Börsen, gibt einen Einblick in die Bitcoin-Situation in China.
A yearlong trip around the world — using only bitcoin – Reuters
Es gibt Neuigkeiten von Felix Weis, der seit Januar von Berlin aus ein Jahr um die Welt reist und dabei nur mit Bitcoin (und seinem Selfie-Stick) unterwegs ist. Mittlerweile ist er im 14. Land seiner Tour angekommen: Israel, ein Land, von dem ohnehin bekannt ist, dass dort ein großes Bitcoin-Interesse herrscht.
Die Bitcoin-Presseschau #75 erscheint am kommenden Sonntag. Bis dahin eine schöne Woche und wenn dir diese Presseschau etwas wert ist, zeig es mit einer Unterstützung über folgenden Button:
Titelbild: “Zeitungsausträger” Flickr-User barmala (CC BY 2.0)
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